Ende der Welt

Reisebericht von Kai-Uwe Thiessenhusen


Teil II: Baltisches Intermezzo.



12.08.02 Montag, 12.8

Am nächsten Morgen gibts Frühstück: gesüßter Tee, Weißwurst, Reis und etwas Brot. Sehr gewöhnungsbedürftig.
Mit dem Obus in die Stadt, zum Bahnhof. Besichtigung des Brandenburger Tors (sicherlich nicht nach Brandenburg(Havel) sondern nach einer alten Burg am Haff benannt), wo eine Straßenbahn durchfährt; jedenfalls im Prinzip. Nur nicht, wenn wir da sind.
Bahnhof. Thomas und Florian rennen abwechseln durch die Gegend um Fotoorgien vom Bahnhof und/oder der Straßenbahn zu machen. Wir verstauen das Gepäck in der Gepäckaufbewahrung... Schleßfächer gibt es auch; aber dafür braucht man Chips, bei der Gepäckaufbewahrung.... Und nach wenigen Minuten holen wir das Gepäck wieder ab....So ist das mit der dynamischen Planung. Erklärung folgt später.

[Kaliningrad Jushny - Selenogradsk 11.0* - ca. 12.; ER-2 530]

Zug nach Selenogradsk. Langer alter Rigaer ER-2 Triebwagen mit Holzbänken. Da passen viele Leute 'rein. Und er wird sehr voll, spätestens am Nordbahnhof, 2km weiter, wo wir nach über 10 Minuten Geschleiche (das Langsamfahren ist anscheinend keine Spezialität der Regelspurgleise) ankommen. Voll geht es immer noch langsam weiter.
Man kann übrigens auch Bus fahren. Die fahren alle halbe Stunde oder so. Ebenso erstaunlich, daß immer noch soviele die Bahn nutzen; ebenso erstaunlich, daß man anscheinend sehr gut nachgefragte Züge streicht.
Eine knappe Stunde nach Abfahrt im Südbahnhof kommen wir 30km weiter in Selenogradsk an. Fast alle steigen aus; wir warten noch auf das Kopfmachen und die Ausfahrt nach Svetlogorsk, Lichtenberg, äh, Rauschen. Netter Kopfbahnhof.
Ausfahrt aus Selenogradsk für den Elektritschka nach Svetlogorsk.

Gegenüber der Busbahnhof. Karten für den Bus um 16 Uhr nach Klaipeda? Beim Fahrer, sagt man. Also nichts gewonnen; außer das sich ein junger Mann namens Andrej an unsere Fersen heftet und sich absolut nicht abschütteln läßt, und uns Fragen wie: "welche russische Musik kennt ihr", "Was haltet ihr von Modern Talking" und so weiterstellt. Sein Vater arbeitet angeblich bei einer Bank.
Zum Strand. Zu viert, versteht sich. Thomas und ich gehen irgendwann mal baden, ansonsten dösen. Mittags Bier trinken; es versteht sich, daß Andrej sich eingeladen fühlt und obendrein noch hartes geröstetes Knoblauchbrot bestellt, das wir verschmähen. Wir haben die falsche Bude erwischt. Hier gibt es kein einheimisches Bier; nebenan hätte man ungefiltertes "Altstadt" (heißt wirklich so, auch "Tilsit" gibt es) trinken können. Dafür also "Ferdinand" aus Benesov u Prahy, anscheinend auch eine Gösser-Tochter.
Mittagessen an einer der Imbißbuden am nahegelegenen Bahnhof. Ich verziehe mich zum Ansichtskarten- oder was-auch-immer-Kauf und werde schon von Andrej vermißt; Florian und Thomas reden noch weniger mit ihm als ich. Wie wir schon am Busbahnhofschalter gewarnt wurden: der Bus nach Klaipeda kommt überpünktlich und ist gut gefüllt.

[Selenogrask - Klaipeda, Ikarus-Reisebus (Klaipeda), 16.00 OESZ - 19.45 MESZ.]

Für paar in den 70ern Rubeln, also etwas über 2Euro gibt es >100km internationalen Busverkehr nach Klaipeda, und hinten sind noch ein paar Plätze frei.
Auf die Kurische Nehrung. Nach einer Stunde ist die Grenze erreicht. Vorher gab es schon eine kurze Vorkontrolle, bei der wir durchgewunken werden. Wir stehen eine ganze Weile vor dem Abfertigungskomplex, erst muß der Gegenbus (Ikarus von Kjonig-Auto, unser ist auch ein Ikarus, aber aus Klaipeda) durchgelassen werden. Fahrt zum Kontrollpunkt. Alles aussteigen, Gepäck mitnehmen, das wird geröngt, warum auch immer. Passkontrolle. Pappkarten werden ausgeben, mit Sowjetsymbolen (dabei war damals hier doch gar keine Staatsgrenze), die zum Aufenthalt am Grenzübergang berechtigen. Mit diesen Karten geht man die 5m in den Bus, dann werden sie wieder eingesammelt. Irgendwie nett.
Etwa 18 Uhr russischer Zeit, also in reichlich 31 Stunden haben wir Rußland von Süd nach Nord durchquert, und sind in Litauen gelandet. Und wer sich wundert, was dieser Unsinn soll, warum man die Mühe auf sich nimmt, ein Rußland-Visum zubeantragen, wenn man doch sofort wieder rausfährt (und zwar dahin, wohin man auch einfacher gekommen waere) und was das alles mit dem Ende der Welt zu tun hat: ist alles ganz einfach.


[Selenogradsk - Klaipeda, Ikarus-Bus ca. 16 Uhr OESZ - 19.45 Uhr MESZ]

Nach der kleinen Russlanddurchquerung auf der Kurischen Nehrung an der litauischen Grenze.

Die litauische Kontrolle geht mit Paßeinsammeln, knappe halbe Stunde warten relativ zügig über die Bühne. Über die Nehrung, vor 2 Jahren waren wir schon mal da. Lohnt sich sehr; von der Straße sieht man aber fast nichts von den Schönheiten.

Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß der Bus nur bis Smiltene fährt, dem Fähranleger auf Nehrungsseite, so sagt auch das Schild. Aber es geht an und auf die Autofähre, 2km süddlich der Stadtfähre und rüber nach Klaipeda. Gut so, sparen wir uns die lange Wanderung von der Stadt zum Busbahnhof am Bahnhof. Am nächsten Morgen dreiviertel acht soll ein Bus nach Riga fahre, und eine freundliche Jugendherberge (namentlich die Diensthabende ist nett) ist direkt nebenan (anscheinend ist sie neu, vor zwei Jahren war dort keine).

Spaßeshalber gucken wir noch mal zum Bahnhof nach Zügen. Was ginge, wäre theoretisch eine Fahrt mit dem Vilniuser Nachtzug nach Siaulai und umsteigen in Rigaer Nachtzug; aber letzterer fährt nur noch jede zweite Nacht, nicht diese. Man könnte vielleicht in Siaulai warten, ob noch ein Nachtbus weiterfährt... Aber nee, das muß nun alles nicht wirklich sein. Genug gesponnen. Abendessen in einer Kneipe mit draußensitzen und dann ab in die Herrberge, schließlich geht es morgen früh weiter.

Am nächsten Morgen zum Busbahnhof. Selbstverständlich gibt es dort auch schon um halb acht Kaffee und Kuchen, und den Bus.

Fahrkarten nach Riga kosten 35 Litas, 10 Euro. Der Bus ist noch nicht voll, wird es aber in Palanga. Viele Russen dabei, anscheinend ist es auch für sie immer noch ein beliebtes Urlaubsziel.

Mal wieder Grenzkontrolle. Pässe eingesammelt; das Grenzabfertigungshaus sieht recht alt aus. In den 1920er Jahren war hier auch schon eine Staatsgrenze.

Durch flaches Land bei trübem Wetter nordwärts. Irgendwann ein Halt vor einem gepflegten Bahnhofsgebäude. 20 Minuten Pause. Auf dem Vorplatz die Straßenbahn; Tatrawagen mit Ganzkörperreklame. Im Bahnhof ein Fahrkartenschalter: der des Busbahnhofes und eine große Zugabfahrtstafel: die von Riga. Züge fahren hier, in Liepaja/Libau, seit einem Jahr nicht mehr; jedenfalls nicht im Personenverkehr. Gleise sind aber blank, es stehen auch Güterwagen 'rum (Gibt es in Europa eigentlich noch ein Straßenbahnnetz in nicht im Eisenbahn-PV zu erreichenden Orten?). Dafür fahren Busse: den ganzen Tag mindestens im Halbstunden- oder gar 20'-Takt nach Riga.

Flaches Land, und trübes Wetter. Irgendwo gibt es noch einen Versorgungshalt; ansonsten passiert nicht viel. Zeit, endlich zu erklären, was uns auf diesen seltsamen Weg verschlagen hat.

Florian und ich hatten schon einige Zeit erwogen, nach Rußland zu fahren, es aber nie allzu intensiv verfolgt. Thomas interessierte das weniger, er trug sich währenddessen mit Gedanken an eine Ostseeumrundung und einer Fahrt zur Erzbahn nach Narvik. Florian ernannte mich zum "Rußlandexperten". Das war eine hohe Ehre, aber leider erstens nicht ganz berechtigt, und zweitens Verpflichtungen (Planung) verbunden. Was mir einfiel, waren nur die beiden Nester, die jedem Rußlandtouri einfallen, und einige kleinere Straßenbahnstädte in der Moskauer Umgebung. Schöne Landschaften? Wälder, vielleicht gibts ein paar Seen. Rußland ist nunmal flach, wenigstens in Europa, bis irgendwann Ural und Kaukasus.

Ich war schon drauf und dran, die Planung umzubiegen, in Richtung Ukraine. Dort gibt es ja Berge und das Meer, und auch interessante Schmalspurbahnen. Aber irgendwann kam dann Florian (oder was es gar ich; wer weiß? Auf dieser Tour passierte es öfter, daß jemand von uns Ideen hatte, die die anderen gerne aufnahmen, man selbst aber dann alles andere als begeistert von seiner eigenen Idee war) auf den Gedanken mit Königsberg. Königsberg, Petersburg, Moskau und ein paar Straßenbahn- und Steinhaufenstädte in der Umgebung, das sollte für drei Wochen zumindest fast reichen. Riß mich zwar nicht vom Hocker, für ein "ganz nett" könnte das aber vielleicht reichen.

Thomas wiederum, der eine Ostseeumrundung+ Erzbahnvernarvikung plante, kam einerseits auf die Idee, daß Ostseeumrundung und Rußland sich erstens ja nicht aus- und er sich so uns anschließen könnte, und zweitens daß dort irgendwo so eine interessante Werkbahn sei. Gut, das wäre für mich nicht unbedingt kein Grund dahin zu fahren (auch wenn es gelogen wäre, zu behaupten, daß mich interessante Loks überhaupt nicht interessieren würde). Aber da paßte plötzlich für mich alles zusammen: zum einen schien die Werksbahngegend dort laut Karte richtig interessant zu sein, Seen, und ein richtiges Gebirge. Und zum anderen fielen mir zwei andere Ziele ein, die man dort ganz gut mitnehmen könnte, nein, mehr noch: wo ich mit einem Mal *unbedingt* hinwollte.

Dank nicht intensiv betriebener Planung unsererseits hatte uns niemand eingeladen. Aber es gibt ja Reisebüros, die diese Arbeit gerne für ein paar Euro erledigen. Weil aber die Reisekollektivmitglieder alles gerne nach hinten schieben und obendrein vielbeschäftigt und oft gar nicht in Berlin sind, blieb also nur Sonnabend, der 20.Juli. Dummerweise sind die Reisebüros, wo man Visa bekommen kann, nicht Neckermann oder TUI, sondern eher kleine Klitschen und haben Sonnabends also zu. Und wenn sie nicht zu haben, wie das Reisebüro Alex, so sind sie umgezogen. So kam es zu einer Odyssee Potsdamer Platz - Yorckstr (Schienenersatzverkehr) - Mehringdamm (Bus, Thomas mit dem Rad) - Yorckstr. (zu Fuß bzw. Rad). Der Laden wird von zwei Russen, sie und er, betrieben. Sie: "Drei Wochen... könnte knapp werden..." Er (telefoniert): "Doch, müßte gehen." Sehr schön.

Es saß immer aber noch der Floh Königsberg in manchen Reisekollektivmitgliederohren. Weil niemand von uns dahin fliegen wollte, war also ein Doppelvisum nötig. So ein Teil für 100 Euro, so fand man, sei ja billiger als zwei einzelne für 65. "Doppelvisum wollen Sie.. .Das schaffen wir nicht mehr..."(telefonieren, Aufatmen bei einem Reisekollektivmitglied) "... doch, das schaffen wir doch noch." (Aufatmen bei den beiden anderen).

Man erklärt uns, daß wir eigentlich ein Dreifachvisum benötigten, weil wir zurück ja auch wieder über Kaliningrad müßten. Das versuche ich mit einer Kartenskizze der litauisch-polnischen Grenze zu entkräftigen; irgendwann wird ein Atlas geholt. (Von Rückfahrten über Norwegen oder die Fähre nach Rostock mal ganz zu schweigen).

Und so geschah das dann. Als Marschrut, wie es auf russisches so schön heißt, stand im Antrag was von Kaliningrad und Moskau. Es sei aber, so versicherte man uns, egal. Wir könnten überall hin. So recht glauben wollte ich das nicht, das war 97 doch noch anders, jedenfalls wurden wir in Moskau vollgemault. Eins legte man uns ans Herz: wenn wir Sonnabend, den 10. August loswollten, sollten wir auf gar keinen Fall schon Freitag, den 9. August, und sei es spätabends hier in den Zug steigen. Vielleicht kämen die Visa erst gegen 23 Uhr. Aber sie kämen!

Und noch eins verwunderte mich: nach allem was ich wußte, würden diese Reisebüros zwar Visa ohne weitere Leistung beschaffen, aber eher ungerne; gerne würden sie einem noch Fahrkarten, Hotelbuchungen pipapo aufschwatzen. Nichts dergleichen war hier der Fall. Im Gegenteil, als wir nach Hotels in Königsberg fragten (ohne Erfahrungen mit Hotelsuche in Rußland schien mir das alles unheimlich): "es gibt genug Hotels. Und zwar teure und schlechte, und weniger teurer und trotzdem schlechte. Fragen Sie dort nach den billigen, einen Taxifahrer oder so."

Die Visa kamen nicht am 9.8 abends, sie kamen schon am 6.8. Diesmal, anders als vorher, fest in den Paß geklebt. Dort stand in der Tat, auch anders als 97 keinerlei Ziele drauf; nur auf einem Zettel weiter hinten, wo "turistischeski wautscher" oder so draufstand, der nicht allzu ernstzunehmen schien.

Planungsfehler: mehrere Leute rieten uns, Dollars zu tauschen. Euros seien problematisch. So taten wir also, unnötigerweise. Wenn man legal tauschen konnte, ging beides; Bankomaten gibt es in Petersburg an praktisch jeder U-Bahn-Station, in Murmansk mußte man suchen (aber sie sind zu finden). Schmiergelder: brauchten wir nicht, und wenn, dann hätten ein paar Dollar auch gereicht. Fehlinvestition.

Königsberg erwies sich noch als größerer planungstechnischer Pferdefuß als erwartet. Es gibt zwar einen Zug Kaliningrad-Petersburg; dummerweise fiel uns erst spät auf, daß dieser Zug ab Vilnius gar nicht über Lettland, sondern im großen Bogen östlich da herumfährt. Das bringt ihm über fünf Stunden Zeitverlust und dazu noch das Pech ein, uns nicht als Fahrgäste begrüßen zu können. Denn da ist Belarus, und uns fehlt das Visum.

Über den dünnen Fahrplan auf der einstigen Magistrale (Berlin-Warschau-)Vilnius - Petersburg hatte ich mich schon vor 2 Jahren beklagt. Damals fuhren freilich noch ein Zugpaar täglich und zwei weitere jeweils jeden zweiten Tag. Nun ist es nur noch ein einziges in zwei Tagen. Dieser Zug fährt an geraden Tagen um 16.20 aus Vilnius ab; der erste Zug aus Kaliningrad kommt dort aber erst um 16.05 an. Dieser Anschluß wird vermutlich meistens klappen, aber wenn nicht, so sitzt man zwei Tage fest.

Also Alternative Bus. Es gibt einen Nachtbus von Kaliningrad nach Riga. Dort kann man gut den Tag verbringen und dann täglich(!) mit dem Nachtzug nach Petersburg fahren. Dummerweise erwies dieser Bus sich lt. Angaben der Königsberger Busbahnhofsschaltertante als ausgebucht. So blieb der Weg über die Nehrung; was gegenüber dem Nachtbus kein direkter Zeitverlust ist, nur mit weniger Rigaaufenthalt (zwei von uns kenne die Stadt auch schon) und dafür mehr Bus am Tage.

Der Aufenthalt wird schließlich sogar nach kürzer als geplant: als wir halb drei nachmittags Auf dem Busbahnhof zwischen Bahnhof und Markthalle stellen wir fest, daß es eine Stunde später ist, als wir denken.


Vor den Markthallen herrscht reger Nachmittagsberufsverkehr.

Vor zwei Jahren war die Vermutung, hier herrschte OESZ ebenso falsch wie heute die gegenteilige Annahme. Nun ist man wieder eine Stunde weiter als in Litauen, keine gemeinsame Zeit mehr.

Lat tauschen, wohl die "teuerste" Währung in Europa. Ein Lat ist mehr wert als ein britisches Pfund. Fahrkarten kaufen. Liegewagen nach Petersburg kosten etwas über 20 Lat, 30 Euro. Das erfahren wir freilich erst nach einer längeren Odysse über verschiedene Schalter.

Stadt, in einer Parkanlage vor dem Freiheitsdenkmal findet sich ein Biergarten mit was zu essen.

Straßenbahn gucken: Tatras mit Stangenstromabnehmer, Eisenbahnbrücke über die Daugava besichtigen.
Ein typischer ER2-Triebwagen rumpelt über die Daugavabrücke in Riga.

Infrastruktur nutzen: Karten schreiben, die russische Post soll angeblich überhaupt nicht funktionieren (stimmte zumindest bei uns nicht), Internet (grausig langsam). Bahnhof besichtigen

[Riga - Petersburg Witebski, Skor.38, 19.40 OESZ - 9.18 MSZ, TEP70 260 bis Rezekne]

Zug mit Großdiesellok TEP70. Lettischer Wagenpark; die üblichen russischen Weitstreckenwagen in neuer Farbgebung.

Unser Liegewagen erweist sich als platzkartnyi, also als Wagen mit offenen Abteilen. Ich hatte zwar "Kupe", was für die vierer Abteile steht, jedenfalls auf Russisch, gesagt, aber entweder gabs keine oder man verstand mich nicht. Egal, die Gesellschaft ist nicht sonderlich störend, und solange der Wagen nicht sehr voll ist, ist InterCityNight-Talgo-Offenstall ist keinen Deut besser; man hat dort nur weniger Platz. Florian und ich teilen uns ein "Abteil" mit Mutter und Sohn, Russen;Thomas liegt neben an. Florian schlägt Abendessen im Speisewagen vor (und ist dann von seiner eigenen Idee nicht mehr begeistert und will gar nichts mehr essen, siehe oben) vor. Ich schon, muß aber erstmal fragen, ob sie Rubel nehmen. Man nimmt, aber für Bliny, Pfannkuchen mit Kaviar (sicherlich keinem echten) für mich und keine 2 Lat, und Salat für Thomas und Florian reicht das lettische Geld gerade noch.
Die russische Innovation im Nachtverkehr. Der Großraumliegewagen.



Der Zug Riga-Petersburg fuhr früher über Valga - (Estland) - Petschory (Rußland) nach Pskow. Heute gehts auf der Strecke Richtung Moskau bis Rezekne und von dort auf die Strecke Vilnius-Petersburg. Beide Strecken kreuzen sich nicht im Bahnhof, sondern in freier Wildbahn; Rezekne hat so zwei Bahnhöfe, an jeder Strecke einen. Der Zug macht in Rezekne 1 (an der Moskauer Strecke) Kopf und fährt dann über eine Verbindungskurve auf die andere. Rezekne 2 wird nur von dem Zugpaar Vilnius-Petersburg alle zwei Tage je Richtung angefahren, sonst gibt es dort nichts mehr im Personenverkehr, auch keine Regionalzüge.

Irgendwann nach Mitternacht die Grenzkontrolle. Wecken. Läuft aber alles recht glatt, bis auf einen russischen Zöllner, der die Zollerklärung sehen will. Ich versuche zu erklären, daß wir nie eine bekamen, da nimmt er ein Zollerklärungsformular , trägt gar keinen Namen ein, sondern einfach nur "<200 Dollar" und verschwindet wieder.

Über die Frage, ob er nun wiederkommen wird, zerbreche ich mir nicht zu lange den Kopf, weil ich schnell wieder einschlafe.