Am nächsten Morgen gibts Frühstück: gesüßter Tee, Weißwurst, Reis und
etwas Brot. Sehr gewöhnungsbedürftig.
Mit dem Obus in die Stadt, zum Bahnhof. Besichtigung des Brandenburger
Tors (sicherlich nicht nach Brandenburg(Havel) sondern nach einer alten
Burg am Haff benannt), wo eine Straßenbahn durchfährt; jedenfalls im
Prinzip. Nur nicht, wenn wir da sind.
Bahnhof. Thomas und Florian rennen abwechseln durch die Gegend um
Fotoorgien vom Bahnhof und/oder der Straßenbahn zu machen. Wir verstauen
das Gepäck in der Gepäckaufbewahrung... Schleßfächer gibt es auch; aber
dafür braucht man Chips, bei der Gepäckaufbewahrung.... Und nach wenigen
Minuten holen wir das Gepäck wieder ab....So ist das mit der dynamischen
Planung. Erklärung folgt später.
[Kaliningrad Jushny - Selenogradsk 11.0* - ca. 12.; ER-2 530]
Zug nach Selenogradsk. Langer alter Rigaer ER-2 Triebwagen mit Holzbänken.
Da passen viele Leute 'rein. Und er wird sehr voll, spätestens am
Nordbahnhof, 2km weiter, wo wir nach über 10 Minuten Geschleiche (das
Langsamfahren ist anscheinend keine Spezialität der Regelspurgleise)
ankommen. Voll geht es immer noch langsam weiter.
Man kann übrigens auch Bus fahren. Die fahren alle halbe Stunde oder so.
Ebenso erstaunlich, daß immer noch soviele die Bahn nutzen; ebenso
erstaunlich, daß man anscheinend sehr gut nachgefragte Züge streicht.
Eine knappe Stunde nach Abfahrt im Südbahnhof kommen wir 30km weiter in
Selenogradsk an. Fast alle steigen aus; wir warten noch auf das Kopfmachen
und die Ausfahrt nach Svetlogorsk, Lichtenberg, äh, Rauschen. Netter
Kopfbahnhof.
Ausfahrt aus Selenogradsk für den Elektritschka nach Svetlogorsk.
Gegenüber der Busbahnhof. Karten für den Bus um 16 Uhr nach
Klaipeda? Beim Fahrer, sagt man. Also nichts gewonnen; außer das sich ein
junger Mann namens Andrej an unsere Fersen heftet und sich absolut nicht
abschütteln läßt, und uns Fragen wie: "welche russische Musik kennt ihr",
"Was haltet ihr von Modern Talking" und so weiterstellt. Sein Vater
arbeitet angeblich bei einer Bank.
Zum Strand. Zu viert, versteht sich. Thomas und ich gehen irgendwann mal
baden, ansonsten dösen. Mittags Bier trinken; es versteht sich, daß Andrej
sich eingeladen fühlt und obendrein noch hartes geröstetes Knoblauchbrot
bestellt, das wir verschmähen. Wir haben die falsche Bude erwischt. Hier
gibt es kein einheimisches Bier; nebenan hätte man ungefiltertes
"Altstadt" (heißt wirklich so, auch "Tilsit" gibt es) trinken können.
Dafür also "Ferdinand" aus Benesov u Prahy, anscheinend auch eine
Gösser-Tochter.
Mittagessen an einer der Imbißbuden am nahegelegenen Bahnhof. Ich verziehe
mich zum Ansichtskarten- oder was-auch-immer-Kauf und werde schon von
Andrej vermißt; Florian und Thomas reden noch weniger mit ihm als ich. Wie
wir schon am Busbahnhofschalter gewarnt wurden: der Bus nach Klaipeda
kommt überpünktlich und ist gut gefüllt.
Für paar in den 70ern Rubeln, also etwas über 2Euro gibt es >100km
internationalen Busverkehr nach Klaipeda, und hinten sind noch ein paar
Plätze frei.
Auf die Kurische Nehrung. Nach einer Stunde ist die Grenze erreicht.
Vorher gab es schon eine kurze Vorkontrolle, bei der wir durchgewunken
werden. Wir stehen eine ganze Weile vor dem Abfertigungskomplex, erst muß
der Gegenbus (Ikarus von Kjonig-Auto, unser ist auch ein Ikarus, aber aus
Klaipeda) durchgelassen werden. Fahrt zum Kontrollpunkt. Alles aussteigen,
Gepäck mitnehmen, das wird geröngt, warum auch immer. Passkontrolle.
Pappkarten werden ausgeben, mit Sowjetsymbolen (dabei war damals hier doch
gar keine Staatsgrenze), die zum Aufenthalt am Grenzübergang berechtigen.
Mit diesen Karten geht man die 5m in den Bus, dann werden sie wieder
eingesammelt. Irgendwie nett.
Etwa 18 Uhr russischer Zeit, also in reichlich 31 Stunden haben wir
Rußland von Süd nach Nord durchquert, und sind in Litauen gelandet. Und
wer sich wundert, was dieser Unsinn soll, warum man die Mühe auf sich
nimmt, ein Rußland-Visum zubeantragen, wenn man doch sofort wieder
rausfährt (und zwar dahin, wohin man auch einfacher gekommen waere) und
was das alles mit dem Ende der Welt zu tun hat: ist alles ganz einfach.
Nach der kleinen Russlanddurchquerung auf der Kurischen Nehrung an der
litauischen Grenze.
Die litauische Kontrolle geht mit Paßeinsammeln, knappe halbe Stunde
warten relativ zügig über die Bühne. Über die Nehrung, vor 2 Jahren waren
wir schon mal da. Lohnt sich sehr; von der Straße sieht man aber fast
nichts von den Schönheiten.
Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß der Bus nur bis Smiltene fährt,
dem Fähranleger auf Nehrungsseite, so sagt auch das Schild. Aber es geht
an und auf die Autofähre, 2km süddlich der Stadtfähre und rüber nach
Klaipeda. Gut so, sparen wir uns die lange Wanderung von der Stadt zum
Busbahnhof am Bahnhof. Am nächsten Morgen dreiviertel acht soll ein Bus
nach Riga fahre, und eine freundliche Jugendherberge (namentlich die
Diensthabende ist nett) ist direkt nebenan (anscheinend ist sie neu, vor
zwei Jahren war dort keine).
Spaßeshalber gucken wir noch mal zum Bahnhof nach Zügen. Was ginge, wäre
theoretisch eine Fahrt mit dem Vilniuser Nachtzug nach Siaulai und
umsteigen in Rigaer Nachtzug; aber letzterer fährt nur noch jede zweite
Nacht, nicht diese. Man könnte vielleicht in Siaulai warten, ob noch ein
Nachtbus weiterfährt... Aber nee, das muß nun alles nicht wirklich sein.
Genug gesponnen.
Abendessen in einer Kneipe mit draußensitzen und dann ab in die Herrberge,
schließlich geht es morgen früh weiter.
Am nächsten Morgen zum Busbahnhof. Selbstverständlich gibt es dort auch
schon um halb acht Kaffee und Kuchen, und den Bus.
Fahrkarten nach Riga kosten 35 Litas, 10 Euro. Der Bus ist noch nicht
voll, wird es aber in Palanga. Viele Russen dabei, anscheinend ist es auch
für sie immer noch ein beliebtes Urlaubsziel.
Mal wieder Grenzkontrolle. Pässe eingesammelt; das Grenzabfertigungshaus
sieht recht alt aus. In den 1920er Jahren war hier auch schon eine
Staatsgrenze.
Durch flaches Land bei trübem Wetter nordwärts. Irgendwann ein Halt vor
einem gepflegten Bahnhofsgebäude. 20 Minuten Pause. Auf dem Vorplatz die
Straßenbahn; Tatrawagen mit Ganzkörperreklame. Im Bahnhof ein
Fahrkartenschalter: der des Busbahnhofes und eine große Zugabfahrtstafel:
die von Riga. Züge fahren hier, in Liepaja/Libau, seit einem Jahr nicht
mehr; jedenfalls nicht im Personenverkehr. Gleise sind aber blank, es
stehen auch Güterwagen 'rum (Gibt es in Europa eigentlich noch ein
Straßenbahnnetz in nicht im Eisenbahn-PV zu erreichenden Orten?). Dafür
fahren Busse: den ganzen Tag mindestens im Halbstunden- oder gar 20'-Takt
nach Riga.
Flaches Land, und trübes Wetter. Irgendwo gibt es noch einen
Versorgungshalt; ansonsten passiert nicht viel. Zeit, endlich zu erklären,
was uns auf diesen seltsamen Weg verschlagen hat.
Florian und ich hatten schon einige Zeit erwogen, nach Rußland zu fahren,
es aber nie allzu intensiv verfolgt. Thomas interessierte das weniger, er
trug sich währenddessen mit Gedanken an eine Ostseeumrundung und einer
Fahrt zur Erzbahn nach Narvik. Florian ernannte mich zum
"Rußlandexperten". Das war eine hohe Ehre, aber leider erstens nicht ganz
berechtigt, und zweitens Verpflichtungen (Planung) verbunden. Was mir
einfiel, waren nur die beiden Nester, die jedem Rußlandtouri einfallen,
und einige kleinere Straßenbahnstädte in der Moskauer Umgebung. Schöne
Landschaften? Wälder, vielleicht gibts ein paar Seen. Rußland ist nunmal
flach, wenigstens in Europa, bis irgendwann Ural und Kaukasus.
Ich war schon drauf und dran, die Planung umzubiegen, in Richtung Ukraine.
Dort gibt es ja Berge und das Meer, und auch interessante Schmalspurbahnen.
Aber irgendwann kam dann Florian (oder was es gar ich; wer weiß? Auf
dieser Tour passierte es öfter, daß jemand von uns Ideen hatte, die die
anderen gerne aufnahmen, man selbst aber dann alles andere als begeistert
von seiner eigenen Idee war) auf den Gedanken mit Königsberg. Königsberg,
Petersburg, Moskau und ein paar Straßenbahn- und Steinhaufenstädte in der
Umgebung, das sollte für drei Wochen zumindest fast reichen. Riß mich zwar
nicht vom Hocker, für ein "ganz nett" könnte das aber vielleicht reichen.
Thomas wiederum, der eine Ostseeumrundung+ Erzbahnvernarvikung plante, kam
einerseits auf die Idee, daß Ostseeumrundung und Rußland sich erstens ja
nicht aus- und er sich so uns anschließen könnte, und zweitens daß dort
irgendwo so eine interessante Werkbahn sei. Gut, das wäre für mich nicht
unbedingt kein Grund dahin zu fahren (auch wenn es gelogen wäre, zu
behaupten, daß mich interessante Loks überhaupt nicht interessieren
würde). Aber da paßte plötzlich für mich alles zusammen: zum einen schien
die Werksbahngegend dort laut Karte richtig interessant zu sein, Seen, und
ein richtiges Gebirge. Und zum anderen fielen mir zwei andere Ziele ein,
die man dort ganz gut mitnehmen könnte, nein, mehr noch: wo ich mit einem
Mal *unbedingt* hinwollte.
Dank nicht intensiv betriebener Planung unsererseits hatte uns niemand
eingeladen. Aber es gibt ja Reisebüros, die diese Arbeit gerne für ein
paar Euro erledigen. Weil aber die Reisekollektivmitglieder alles gerne
nach hinten schieben und obendrein vielbeschäftigt und oft gar nicht in
Berlin sind, blieb also nur Sonnabend, der 20.Juli. Dummerweise sind die
Reisebüros, wo man Visa bekommen kann, nicht Neckermann oder TUI, sondern
eher kleine Klitschen und haben Sonnabends also zu. Und wenn sie nicht zu
haben, wie das Reisebüro Alex, so sind sie umgezogen. So kam es zu einer
Odyssee Potsdamer Platz - Yorckstr (Schienenersatzverkehr) - Mehringdamm
(Bus, Thomas mit dem Rad) - Yorckstr. (zu Fuß bzw. Rad). Der Laden wird
von zwei Russen, sie und er, betrieben. Sie: "Drei Wochen... könnte knapp
werden..." Er (telefoniert): "Doch, müßte gehen." Sehr schön.
Es saß immer aber noch der Floh Königsberg in manchen
Reisekollektivmitgliederohren. Weil niemand von uns dahin fliegen wollte,
war also ein Doppelvisum nötig. So ein Teil
für 100 Euro, so fand man, sei ja billiger als zwei einzelne
für 65. "Doppelvisum wollen Sie.. .Das schaffen wir nicht mehr..."(telefonieren,
Aufatmen bei einem Reisekollektivmitglied) "... doch, das schaffen wir
doch noch." (Aufatmen bei den beiden anderen).
Man erklärt uns, daß wir eigentlich ein Dreifachvisum benötigten, weil wir
zurück ja auch wieder über Kaliningrad müßten. Das versuche ich mit einer
Kartenskizze der litauisch-polnischen Grenze zu entkräftigen; irgendwann
wird ein Atlas geholt. (Von Rückfahrten über Norwegen oder die Fähre nach
Rostock mal ganz zu schweigen).
Und so geschah das dann. Als Marschrut, wie es auf russisches so schön
heißt, stand im Antrag was von Kaliningrad und Moskau. Es sei aber, so
versicherte man uns, egal. Wir könnten überall hin. So recht glauben
wollte ich das nicht, das war 97 doch noch anders, jedenfalls wurden wir
in Moskau vollgemault. Eins legte man uns ans Herz: wenn wir Sonnabend,
den 10. August loswollten, sollten wir auf gar keinen Fall schon Freitag,
den 9. August, und sei es spätabends hier in den Zug steigen. Vielleicht
kämen die Visa erst gegen 23 Uhr. Aber sie kämen!
Und noch eins verwunderte mich: nach allem was ich wußte, würden diese
Reisebüros zwar Visa ohne weitere Leistung beschaffen, aber eher ungerne;
gerne würden sie einem noch Fahrkarten, Hotelbuchungen pipapo
aufschwatzen. Nichts dergleichen war hier der Fall. Im Gegenteil, als wir
nach Hotels in Königsberg fragten (ohne Erfahrungen mit Hotelsuche in
Rußland schien mir das alles unheimlich): "es gibt genug Hotels. Und zwar
teure und schlechte, und weniger teurer und trotzdem schlechte. Fragen Sie
dort nach den billigen, einen Taxifahrer oder so."
Die Visa kamen nicht am 9.8 abends, sie kamen schon am 6.8. Diesmal,
anders als vorher, fest in den Paß geklebt. Dort stand in der Tat, auch
anders als 97 keinerlei Ziele drauf; nur auf einem Zettel weiter hinten,
wo "turistischeski wautscher" oder so draufstand, der nicht allzu
ernstzunehmen schien.
Planungsfehler: mehrere Leute rieten uns, Dollars zu tauschen. Euros seien
problematisch. So taten wir also, unnötigerweise. Wenn man legal tauschen
konnte, ging beides; Bankomaten gibt es in Petersburg an praktisch jeder
U-Bahn-Station, in Murmansk mußte man suchen (aber sie sind zu finden).
Schmiergelder: brauchten wir nicht, und wenn, dann hätten ein paar Dollar
auch gereicht. Fehlinvestition.
Königsberg erwies sich noch als größerer planungstechnischer Pferdefuß als
erwartet. Es gibt zwar einen Zug Kaliningrad-Petersburg; dummerweise fiel
uns erst spät auf, daß dieser Zug ab Vilnius gar nicht über Lettland,
sondern im großen Bogen östlich da herumfährt. Das bringt ihm über fünf
Stunden Zeitverlust und dazu noch das Pech ein, uns nicht als Fahrgäste
begrüßen zu können. Denn da ist Belarus, und uns fehlt das Visum.
Über den dünnen Fahrplan auf der einstigen Magistrale
(Berlin-Warschau-)Vilnius - Petersburg hatte ich mich schon vor 2 Jahren
beklagt. Damals fuhren freilich noch ein Zugpaar täglich und zwei weitere
jeweils jeden zweiten Tag. Nun ist es nur noch ein einziges in zwei Tagen.
Dieser Zug fährt an geraden Tagen um 16.20 aus Vilnius ab; der erste Zug
aus Kaliningrad kommt dort aber erst um 16.05 an. Dieser Anschluß wird
vermutlich meistens klappen, aber wenn nicht, so sitzt man zwei Tage fest.
Also Alternative Bus. Es gibt einen Nachtbus von Kaliningrad nach Riga.
Dort kann man gut den Tag verbringen und dann täglich(!) mit dem Nachtzug
nach Petersburg fahren. Dummerweise erwies dieser Bus sich lt. Angaben der
Königsberger Busbahnhofsschaltertante als ausgebucht. So blieb der Weg
über die Nehrung; was gegenüber dem Nachtbus kein direkter Zeitverlust
ist, nur mit weniger Rigaaufenthalt (zwei von uns kenne die Stadt auch
schon) und dafür mehr Bus am Tage.
Der Aufenthalt wird schließlich sogar nach kürzer als geplant: als wir
halb drei nachmittags Auf dem Busbahnhof zwischen Bahnhof und Markthalle
stellen wir fest, daß es eine Stunde später ist, als wir denken.
Vor den Markthallen herrscht reger Nachmittagsberufsverkehr.
Vor zwei Jahren war die Vermutung, hier herrschte OESZ ebenso falsch wie
heute die gegenteilige Annahme. Nun ist man wieder eine Stunde weiter als
in Litauen, keine gemeinsame Zeit mehr.
Lat tauschen, wohl die "teuerste" Währung in Europa. Ein Lat ist mehr wert
als ein britisches Pfund. Fahrkarten kaufen. Liegewagen nach Petersburg
kosten etwas über 20 Lat, 30 Euro. Das erfahren wir freilich erst nach
einer längeren Odysse über verschiedene Schalter.
Stadt, in einer Parkanlage vor dem Freiheitsdenkmal findet sich ein
Biergarten mit was zu essen.
Straßenbahn gucken: Tatras mit Stangenstromabnehmer, Eisenbahnbrücke über
die Daugava besichtigen.
Ein typischer ER2-Triebwagen rumpelt über die Daugavabrücke in Riga.
Infrastruktur nutzen: Karten schreiben, die
russische Post soll angeblich überhaupt nicht funktionieren (stimmte
zumindest bei uns nicht), Internet (grausig langsam). Bahnhof besichtigen
Zug mit Großdiesellok TEP70. Lettischer Wagenpark; die üblichen russischen
Weitstreckenwagen in neuer Farbgebung.
Unser Liegewagen erweist sich als platzkartnyi, also als Wagen mit offenen
Abteilen. Ich hatte zwar "Kupe", was für die vierer Abteile steht,
jedenfalls auf Russisch, gesagt, aber entweder gabs keine oder man
verstand mich nicht. Egal, die Gesellschaft ist nicht sonderlich störend,
und solange der Wagen nicht sehr voll ist, ist
InterCityNight-Talgo-Offenstall ist keinen Deut besser; man hat dort nur
weniger Platz. Florian und ich teilen uns ein "Abteil" mit Mutter und
Sohn, Russen;Thomas liegt neben an. Florian schlägt Abendessen im
Speisewagen vor (und ist dann von seiner eigenen Idee nicht mehr
begeistert und will gar nichts mehr essen, siehe oben) vor. Ich schon, muß
aber erstmal fragen, ob sie Rubel nehmen. Man nimmt, aber für Bliny,
Pfannkuchen mit Kaviar (sicherlich keinem echten) für mich und keine 2
Lat, und Salat für Thomas und Florian reicht das lettische Geld gerade
noch.
Die russische Innovation im Nachtverkehr. Der Großraumliegewagen.
Der Zug Riga-Petersburg fuhr früher über Valga - (Estland) - Petschory
(Rußland) nach Pskow. Heute gehts auf der Strecke Richtung Moskau bis
Rezekne und von dort auf die Strecke Vilnius-Petersburg. Beide Strecken
kreuzen sich nicht im Bahnhof, sondern in freier Wildbahn; Rezekne hat so
zwei Bahnhöfe, an jeder Strecke einen. Der Zug macht in Rezekne 1 (an der
Moskauer Strecke) Kopf und fährt dann über eine Verbindungskurve auf die
andere. Rezekne 2 wird nur von dem Zugpaar Vilnius-Petersburg alle zwei
Tage je Richtung angefahren, sonst gibt es dort nichts mehr im
Personenverkehr, auch keine Regionalzüge.
Irgendwann nach Mitternacht die Grenzkontrolle. Wecken. Läuft aber alles
recht glatt, bis auf einen russischen Zöllner, der die Zollerklärung sehen
will. Ich versuche zu erklären, daß wir nie eine bekamen, da nimmt er ein
Zollerklärungsformular , trägt gar keinen Namen ein, sondern einfach nur
"<200 Dollar" und verschwindet wieder.
Über die Frage, ob er nun wiederkommen wird, zerbreche ich mir nicht zu
lange den Kopf, weil ich schnell wieder einschlafe.