Vom Ende der Welt

Reisebericht von Thomas Kabisch


Teil III: Entlang des Rällervejen.



Do, 29.08.02

"Abisko ist einer der Orte Schwedens mit der hoechsten Sonnenwahr- scheinlichkeit"- so stehts geschrieben. Die Wettervorhersage in der Turistation verheisst fuer die naechsten 5 Tage leider nicht allzuviel Gutes. Das Lieblingswort dort scheint "Overcast" zu sein... Ganz im Vertrauen auf den ersten Satz, soll heute ein Abiskotag sein, und tatsächlich, es scheint etwas dran zu sein.
Nach einem trueben Morgen zeigt sich die Sonne schon bald trotz der wenig ermutigenden Vorhersage. An der Einfahrt Abisko Oestra gibt es ein nettes Motiv, mit dem Abiskoer Hausberg, dem 1100m hohen Njulla im Hintergrund.
Der anvisierte Erzzug rauscht natuerlich unbeleuchtet vorbei, aber er kommt wenig spaeter im Bahnhof Oestra zum Stehen - Reisezugueberholung. Und Reisezuege und Sonne, das scheint zu funktionieren. Hinterher! Und siehe da, wenig spaeter sind ein paar Bilder vom Bahnhof und einer Dm3 (1230) und auch noch gleichzeitig einer Rc6 bei Sonnenschein im Kasten.
Ein Erzzug wartet in Abisko Östra auf Überholung.


Zurueck an der Einfahrt taucht der naechste Erzbomber auf, bleibt aber un- verstaendlicherweise am Einfahrtsignal stehen. Sonnenschein. Was nun? Es vergehen 10min, 15min. Nichts ruehrt sich.
Im Bahnhof ist derweil ein Gegenzug angekommen, und ein schwedischer Fotofreund komplettiert die Szene. Er hat hier sozusagen Kreuzung mit mir, kommt aus Richtung Narvik und will weiter Richtung Osten. Dann passiert etwas. Die Lok (1216) wird abgekuppelt und wenig spaeter verschwindet sie (natuerlich ist gerade die Sonne weg) zum Bahnhof. Zurueck kommt anstelle der 1216 die 1207 und setzt sich vor die immernoch auf freier Strecke wartende Leerfuhre.
Dann hat der Spuk ein Ende. 1207 verschwindet Richtung Kiruna und 1216 darf zur Abwechlung zurueck nach Narvik fahren. Vermutlich ein Lokschaden, bei dreifacher Redundanz in jeder Lok (das ist die drei in "Dm3") bleibt trotzdem kein Zug liegen...

Wenige Stunden spaeter am Bahnsteig an der Turistation. Der Nachmittagszug nach Narvik. Heute ist die knallrot lackierte Rc6-1 von Tagkompaniet am Zuge, wieder klappt das mit der Sonne und dem Reisezug...
Abisko Turiststation. 1508 verkündet die Kilometertafel, 1508km nördlich von Stockholm.

In Vassijaure, nur 30km westlich vom sonnigen Abisko dann das Kontrastprogramm: Regen. Eigentlich sollte von hier eine Wanderung nach Katajokk losgehen, sollte.
Also Alternative Regen: Rueckfahrt sofort, dann bleibt Zeit in Abisko noch bei "ICA Lapporten" - dem oertlichen Supermarkt, vorbeizuschauen. Ein Muß für jeden Supermarkfreund, garantiert die größte Auswahl im Umkreis von 100km! Es gibt fast alles, nur keine Leerkasetten - aber das Problem kommt erst noch.


Fr, 30.08.02

"Still overcast." Das ist jeden morgen die Wettervorhersage und so wird es auch bleiben. Trotzdem, die Fjordlandschaft sieht einfach zu genial aus. Und vielleicht verirrt sich ja auch mal ein klitzekleines Wolkenloch dorthin und ermöglicht doch das eine oder andere Foto.

Vorher aber Zimmerwechsel. Eine Großreisegruppe ist angekündigt, und da müssen die Restlichen Gäste halt zusammenrücken. Ein netter Service der Herbergsleitung, wie sich bald heraustellen wird, denn ein Bett ist im neuen Zimmer ist belegt, der Inhaber ist aber gerade nicht im Hause.

Abfahrt 8:51Uhr mit dem Fruehzug. Der zweite Versuch, nach Bjornfjell zu kommen. Der Schnellzug wollte dort nicht halten, der Personenzug nun muss wohl - aber trotzdem, eine Halt dort laesst man sich teuer vergueten: 70SEK, fuer 40km. Vassijaure, ueber die Haelfte der Kilometer kostete zum Vergleich 25SEK. Und die Kroenung, Riksgrensen, nur 2km weniger als Bjoernfjell hätte es auch für fuer 25SEK gegeben!
Und damit ein neuer Kandidat fuer die teuerste Bahnstrecke, 45SEK fuer 2km, macht also sage und schreibe ca. 3Euro pro Kilometer, soviel kostet die Fahrt von Riksgrensen nach Bjoernfjell! Dagegen erscheint der Straftarif an der deutsch/polnischen Grenze ja voellig harmlos. Noch brisanter ist das Ganze, wenn man bedenkt das es sich hier um eine Grenze ohne jegliche Kontrollen handelt...Willkommen im vereinten Europa! Aber eine Benutzung des nördlichsten Eisenbahngrenzübergangs der Welt kann man sich schon was kosten lassen!

In Bjrornfjell angekommen, macht sich eine grosse Reisegruppe auf den selben Weg, wie ich. Ziel ist der Rallarvejen runter zum Rombakfjord. Von Bjoernfjell fuehrt er erstmal vorbei an einem Denkmal 50Jahre Erzbahn, dann durch die bizzarre Felslandschaft immer paaralel zur Bahn. Diese ist allerdings weitestgehend hinter verschiedendsten Schneegallerien verborgen. Auf der norwegischen Seite meist hoelzern.
Die Landschaft ist allerdings nur teilweise unberuehrt. Es gibt zwar keine nenneswerte Siedlung, allerdings lugen ueberall einzelne Holzhuetten zwischen den Felsen hervor...um diese Jahreszeit sind die Feriendomizielle allerdings meist verlassen.
Björnfjell, Ferienhaus am Ende des Universums.


Vorbei am Lukner-Felsen (hier wartete der bekannte Fotograf auch stundenlang auf einen Zug...), dann taucht die Nordalsbru auf. Uber sie fuehrte einst die Bahn, heute steht das Eisenungetuem nutzlos in der Landschaft, die Zuege nehmen einen neuen Tunnel.
Weiter den Rallerwegen talwaerts. Die Landschaft wandelt sich ploetzlich, eine beeindruckende Schlucht tut sich auf, an deren unterem Ende, von hier mindestens hunderte Meter tiefer irgendwo der Romakfjord mit seinem gruenen Wasser beginnt.

Der Rombakkfjord - von hinten.


Die Bahn klebt foermlich am Hang, fahert mehrere Seitentaeler aus, verlaeuft zu zwei Dritteln in Tunneln und Gallerien, vorbei an beeindruckenden Geroellhalden, unter hunderte Metern hohen Wasserfaellen. Der Rallervagen ist der ideale Fotomotiverschliessungsweg. Erst bleibt er eine Weile oberhalb der Bahn, um dann umso steiler abzufallen. Einige Schautafeln erklaeren den Sinn des Weges - ein Versorgungsweg fuer den Eisenbahnbau, ausgehend vom Rombakfjord bis hoch nach Abisko. Einige Fundamente erinnern noch an diverse Seilbahnen, die erreichtet worden,um das Material hinaufzuschaffen.

Leerzug auf Bergfahrt bei Katterat.

Das Wetter spielt leider nicht so richtig mit. Aber schliesslich ist hier ja auch einer der regenreichsten Gegenden weit und breit. So wundert es nicht, das irgendwann der Regen den Kampf mit der Sonne endgueltig gewinnt, nicht ohne vorher noch einige herrliche Lichtschows mit Regenboegen vor schwarzen Wolkenbergen zu illuminieren...

Es sind ja nur noch 7km zurueck bis Bjoernfjell - und will ich die geniale Grenzuebertretungsstrafgebuehr im Zug umgehen, sind es nochmal 2km mehr. Nach einer Stunde durch den Regen stimmt es versoehnlich, dass in Bjoerfjell ein beheizter Raum wartet - eben der Warteraum. Ein Herr auf einem kleinen Fahrrad kam auch daher, er kommt aus dem Sueden Schwedens und ihm ist Abisko viel zu viel Tourismus, ich solle doch nach Katajokk mein Quartier wechseln.

Dann fuhr er weiter, ich hinterher. Nur der Regen scheint hier nicht von kurzer Dauer. Leider entscheide ich mich nicht fuer den ueberdachten Weg nach Riksgrensen, in dem ein Gleis dorthinfuehrt, sondern nehme die Strasse, vorbei am Riksgrens-Schild und riesigen Wanderwegweisern zurueck in Schweden.
Die alten Lokschuppenruine steht tatsaechlich direkt neben dem Gleis ist aber natuerlich nicht von Zug zu sehen dank Gallerie. Als dann der Abendzug endlich kommt und mich nach Abisko bringt, will ich nur noch eines, moeglichst schnell warum duschen und ins Bett. Aber es wird doch ein wenig anders kommen. Der Grund heißt, aehm nennen wir sie Anne.
Anne kommt aus Zuerich und bewohnt in Abisko das Bett ueber mir. Aber auch die anderen Zimmerinsassen sind mir nicht ganz fremd: die beiden Tschechen mussten mit mir zusammen das Zimmer wechseln. Die beiden wollen aber irgendwie ihre Ruhe haben. So sitze ich mit Anne lange in der Kueche und quatsche ueber tausende Dinge, es wird spät wie selten...