Vom Ende der Welt
Reisebericht von Thomas Kabisch
Teil IV: Nordische Naturschauspiele.
Sa, 31.08.02
Die Turiststation ist von nun an ausgebucht. Fuer uns heisst das, neue Herberge
suchen. Da war doch noch so eine nette kleine Hostel, gleich am Bahnhof
Oestra. Und Anne ist spontan begeistert.
Also Fruehstuecken, Sachen abschliessen und auf Wanderschaft in den Ort.
Ein Schwede, Jakob, ist noch dabei, er weiss interessante Dinge zu berichten.
Und Anne wundert sich, dass ich schon der zweite bin der ihr binnen weniger
Tage von einem ihr bis dato unbekannten deutschen Gebirge namens Harz
erzaehlt...
Der Schwede kennt nicht nur Wernigerode und den Harz, auch Oberwiesenthal
ist ihm nicht unbekannt...nach Niedergoseln-Wetitz habe ich ihn lieber nicht
gefragt...
Am Bahnhof Oestra angekommen, sind es keine 200m mehr zur Hostel, ein
schoenes Holzhaus, 2 Etagen. Drinnen ist es gemuetlich, eine Kueche, und
drei Zimmer mit 2, 4 und 6 Betten erwarten Besuch. Oben eine Wohnung.
Alles steht offen, aber niemand ist zu finden. Sehr merkwuerdig...
Ueberfuellt ist es jedenfalls nicht, also reserverien wir mit Schlafsack und
Co. mal eben zwei Betten und verschwinden wieder.
Hoffentlich hat nicht gerade heute eine Reisegruppe gebucht.
Hostel in Abisko.
Zurueck zur Turiststation, Abschied von Jakob und dann kann der Tag beginnnen.
Der Njulla, der Hausberg von Abisko ist das heutige Ziel. Ich kann es kaum glauben,
aber es war ganz einfach, gestern Abend Anne dazu zu bewegen, mitzukommen,
irgendwie haben wir eine gemeinsame Wellenlänge.
Und so schweben wir dann gegen Mittag mit dem fast leeren Sessellift nach oben.
Wenn zu einer 'hohen' Breite auch noch eine solche Höhe kommt, wird es schnell
ungemütlich - der Njulla ist 1100m hoch und natürlich baumlos. So weht hier ein
kräftiger Wind. In der Baude am Lift dagegen herrscht ein nettes Klima, drinnen
brennt ein Kamin und man darf sogar Mitgebrachtes verzehren - dann ist allerdings
eine Baudengebühr zu entrichten.
Der Ausblick ist grandios, auf Lapporte und Tornerträsk und die wenigen Häuser von
Abisko. Und zwei gewundene Linien ziehen durchs Land, für Bahn und Strasse.
Wir aber wollen ja wandern, unser Ziel ist Björnkliden, an der Erzbahn 6km weiter
von Abisko Richtung Narvik.
Also folgen wir den 'Bahnkreuzen' - so sehen hier die Wanderwegsmakierer aus, damit
sie auch im Winter bei nordischen Schneeverhältnissen noch zu erkennen sind.
Zunächst ist es völlig kahl, rauh, steinig, kaum Bewuchs kann sich hier halten.
Dann ein Tal, erst sanft und immer steiler, hier stürzt ein Fluss hinab zum
Tornerträsk. Unser Weg läuft direkt darauf zu - und an der anderen Seite anscheinend
weiter, nur ist kein Brückenbauwerk zu erkennen...
An der anderen Seite ein komisches Bauwerk, sieht aus wie ein Einmannbunker, rundlich
aus Stein, mit Tür und Fenster. Sitzt da Kurt Felix drin und wartet darauf wie wir
nun seinen roten Markierungen durchs Wasser folgen?
Ein Stückchen weiter unten finden wir eine Furt, Anne entscheidet, dass hier die
Brücke, die auf der Karte eingemalt ist, sein muß und watet rüber. Also hinterher.
Ganz schön nass - und vor allen Dinge kalt das Ganze.
Also zurück zum Einmannbunker. Kurt Felix ist drinnen allerdings nicht zu entdecken,
das interessante Bauwerk ist verschlossen, wir vermuten, dass man das ganze mieten
kann, als romantische Übernachtungsmöglichkeit...
Trotzdem muß Kurt Felix seine Finger im Spiel haben: Nun sehen wir mit einmal die
Fortsetzung des Weges eben genau auf der Flusseite, wo wir gerade herkommen...
Also am Fluss hinab und eine Biegung weiter, ist sie plötzlich da, die Brücke...
Zwischenzeitlich hat die Natur wieder Fuß gefasst und umhüllt den Weg mit tausenden
schillernden Farben des Herbstes, nach vorn tut sich wieder ein neuer herrlicher Blick
zum See auf, diesmal flankiert von den Häusern von Björnkliden.
Blick auf Björkliden.
Vorbei an einem Skilift geht es talwärts und gegen 15Uhr ist das Tageswanderziel
erreicht. Bis zum Nachmittagszug ist es aber noch eine Stunde hin. Zeit die "Butik"
zu besuchen.
Einkäufe. Anne ersteht ein paar Pilze, schließlich soll heute abend
gekocht werden. Später sollten die Pilze allerdings aufgrund von penetrantem Geruch
für ungeniesbar erklärt werden, es fehlte einfach der Pilzkundler.
Zeit um auf der Bahnsteigbank in Ruhe Postkarten zu schreiben und ein wenig die
Sonnenstrahlen des ausgehenden Sommers zu geniessen. Die Sonne scheint kräftig, nur
wenn die Erzzüge kommen, verschwindet sie wie üblich.
Irgendwann war der Zug da und bringt uns zurück nach Abisko Turiststation. Sachen
holen und dann geht es mal wieder auf Wanderschaft - 2km nach Östra.
Annes Rucksack ist weit größer als meiner, aber auch nicht schwerer. Irgendwann haben
wir es geschafft, erreichen heute zum zweiten Mal unser angedachtes Traumquatier, die
Hostel am Bahnhof Östra.
Aber was ist das? Aus der Traum?
Rings um das Haus sind alle Sitzplätze belegt, auch drinnen sitzen viele Leut.
Ist die befürchtete Reisegruppe nun doch gekommen? ...und der Schlafsack ist weg.
Aber Fragen kostet nix. Also hoch in die Wohnetage, nun ist sogar jemand da - nein
kein Problem, Platz ist genug da, auch für 2 Personen, überhaupt kein Problem, es
wohne nur noch ein Amerikaner zur Zeit in der Hostel.
Und dann waren die Leute weg, wir haben 'unsere' Hostel ganz für uns. Sie ist
einfach traumhaft, 3Zimmer, ein 6er, ein 4er und ein 2er, eine Küche, Bad was will
mann mehr. Der Schlafsack ist auch wieder da, und zwar im 6er Zimmer in das Örjan,
der Herbergsvater uns jetzt weist. Das Zimmer ist auch viel besser, hat es doch den
Ausblick und -horch direkt auf die Gleise, und ein Bahnübergang wird noch sein ganz
eigenes Lied einstimmen. Von nun an bestimmt das 'bimbimblim' alle Stunde hier die
Zeit.
Irgendwann kam der Ami auch heim und es gibt eine Kochorgie zu dritt. Örjan hat auch
noch ein bischen was auf Lager, so wird es eine Creation aus allem was wir haben:
Nudeln, Würstchen, Käse...und es schmeckt!
Anne lernt Schwedisch, und das Ergebis kann sich sehen lassen...so lernt sie
spontan alles über schwedische gekochte Eier...
Abendausklang in netter Dreisamkeit und schönen Kartenspielen, so muß Hostelleben
sein!
Dann die Nacht der Züge, eigentlich ist dieser Platz viel zu schade zum Schlafen.
Immer wieder geht es "bim,bim,bim,kling-taktaktak..." vor unserem Fenster und ein
Erzzug rauscht durch die Polarnacht, die letzte Nacht des Sommers.
So, 01.09.02
Der 'Herbst' fängt allerdings an, wie der Sommer aufhörte. 'Still overcast', es ist
windig. Und wieder liegt Abisko an der Luftmassengrenze. Morgens ist es wieder zu...
Kaum kennengelernt, heißt es schon wieder Abschiednehmen. Anne will weiter, geht
heute auf den Zug nach Narvik. Sie will weiter auf die Lofoten, und dann runter in
Norwegen. Irgendsowas ähnliches habe ich auch vor, aber ein paar mehr Tage
in Abisko sollen es noch sein.
Frühstücktreff, alle drei, Postkarten schreiben, dann ist es Zeit, good bye zu sagen.
Wieder allein. Örjan hat geraten, den Kungsleden zu wandern, das ist der schwedische
Nationalwanderweg, der in Abisko sein Nordende hat.
Auf den letzten Kilometern gibt es zwei Äste, einen nach Östra und einen zur
Turiststation, so ist das Tagesziel klar. Einmal runter von Östra bis zur
Weggabelung und wieder hoch auf dem Ast zur Turistation und zurück nach Östra.
Intressanterweise gibt es drei Kategorien von Wanderwegen auf der Karte: ganzjährige,
nur Sommer- und nur Winterwanderwege. Zumindest letzteres erscheint unlogisch -
warum sollte ein Weg nur im Winter bewanderbar sein? - Und plötzlich waren die
Markierungen in einem Sumpfloch verschwunden...das war wohl ein solcher.
Aber es gibt meist eine trockene Umgehung.
Idyllisch durchs Gehölz, nette Blicke auf die Lapporte. Und dann, Stunden später
ist Schluss. Ein mindestens 20m breiter reißender Fluss kreuzt den Weg. Hm.
Irgendwann ist eine watbare Stelle gefunden,heil hinüber, auch wenn das
natürlich eiskalte Wasser zwischenzeitlich fast den Boden unter den Füßen
wegreist.
Am Kungsleden.
Boden ist gut, aber, oh Schreck, das Portemonaite ist weg! Panik.
Im Wasser? Oh,oh. Nur 2500km von Berlin keine gute Entscheidung. Eine zweite Kredit-
karte hätte ich ja noch - aber der nächste Geldautomat steht in Kiruna...
Also ein neues Tagesprgramm. Suchen. Und weils so schön war, nochmal durch den Fluss.
Und wieder zurück, Rasterfahndung. Aber kein Portemonaite. Verdammt.
Also nochmal durch und den Weg zurück bis zur letzten Raststelle. Aber auch dort
Fehlanzeige. Und wieder zum Fluss.
Aber was ist das? Eine große Markierung, ein Bahnkreuz - und direkt darunter ein
Portemonaite. Ich hätte wissen sollen, dass in Schweden verlorene Geldbörsen sehr
gut ausgechildert werden, dann wäre das Ganze etwas schneller gegangen.
Also zum 5.Mal durch den Fluss und endlich weiter. Ein paar Kilometer durch Gebüsch,
dann eine Hängebrücke und der Kundleden von der Turiststation kommt an.
Nun geht es zurück, viel Zeit ist jetzt nicht mehr, 120min Verspätung.
Statt wie gelant Mittag ist es jetzt fast 15Uhr. Nun also wieder hoch am Fluß
entlang.
Gat schon wieder Kurt Felix seine Finger im Spiel? Diesmal ist es ein Gummistiefel,
der fein säuberlich auf einem Felsen am Wegesrand
liegt. Warum erst jetzt, hier gibt es doch Brücken - und warum nur einer?
Und dann wieder scandianvian Lightshow vom Feinsten. Im Hintergrund
die Lapporte und eine schwarze Wolkenwand, im Vordergrund bricht die Sonne durch und
die herbstlich gelben Birken intensivst angestralt. Und wäre das nicht genug, kommt
natürlich noch ein Regenbogen dazu. Herrlich!
Ohne Worte.
Und Rentiere, oder waren es nun doch Elche?
Wie unterscheidet man die denn nun?
Und dann war wieder zurück an der Turiststation. Kaum auf dem großen Parkplatz
angekommen, kommt auch schon ein Erzzug. Naja. Später ist dann der Luknersche
Aussichtsfelsen gefunden, von hier hätte er sich besser gemacht.
Dann hat mal wieder der Regen gesiegt, das Internet in der Turiststation
geht natürlich immer noch nicht und die Wettervorhersage verheisst auch
nichts neues: 'Still Overcast!'
Der Abiskojakka-Canyon.
Zeit zurück nach Östra zu wandern. Diesmal nun aber endlich am See entlang.
Der Canyon setzt sich bis zum Ufer fort.
Herbststimmung. Dunkle Wolken stehen über dem See, ein Wind braust.
Am Ufer entlang.
Pilze, tellergroß, ihnen scheint es hier richtig gut zu gefallen, nicht nur einer
dieser Riesengeschöpfe hat sich den Uferstreifen ausgesucht.
Gegen 20Uhr wieder in der Hostel. Keine neuen Gäste an Bord, eine
ganze Herberge für einen Gast.
Ist irgendwie öfter so in exklusiven Gegenden, das letzte Mal auf dem
westlichesten jemals erreichten Punkt in Cortenay, Vancouver Island. Hier nun
die nördlichste Hostel...
Kann also in der Küche meine (nicht vorhandenen) Kochkünste ausprobieren.
Da war dann ein Riesenberg Nudeln, aber der Ketschup ist verschwunden,
so wird es dann doch ein klassisches Stullenessen...
Irgendwann kommt Örjan vorbei, er hatte sich schon Sorgen gemacht, wo ich denn so
lange bleibe, die portemonaitebedingte Verspätung war natürlich nicht wieder
aufholbar.
Auf dem Küchenfensterbrett steht ein Kassettenrekorder, er erweckte schon bei meien
Ankunft mein Interesse. Wenn dieser nun ein Mirko, äh Lauschophon hätte, wäre der
'Lausch aus dem Hostelzimmerfenster' ein unschätzbarer Gewinn für die Sammlung:
'Bim,Bim,Blim, Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak,Tak...'.
Wir werden der Sache von den Grund gehen. Aber morgen ist auch noch ein Tag!