Vom Ende der Welt

Reisebericht von Thomas Kabisch


Teil VII: Bergensbahn.



Do, 05.09.2002


Der Wecker klingelt mal wieder nicht so richtig, es ist wohl des Nächtens jemand auf den Ausschaltknopf gekommen. Auf dem Plan stand eine kleine Strassen- und U-Bahn-Rundfahrt mit Stadtbesichtigung, bis gegen halb 11 der Express nach Bergen fahren soll.

Um 8Uhr gibt's Fruhkost, ach nein, hier muss es 'Frohkost' heissen. Abmarsch um 8:45Uhr. Und bei Tageslicht sieht es doch ganz anders aus als gestern im Dunkeln. Die Herberge steht auf einem Hügel, eine Wiese fällt ab - und am unteren Ende fährt die Tram.
Mit der 7 in die Innenstadt, auf einer 13 rückt gerade noch ein alter Wagen in das Depot Grefsen ein - sonst fahren fast nur Niederflurgeräte. Bis ins Zentrum, das wird von der Tram umrundet. Irgendwo Umstieg auf die Linie 11, die fährt direkt nach Majorstuen, einem zentralen Knoten, wo alle Metro- linien und fast alle Trambahnen zusammentreffen - und das oberirdisch, am Eingang des Innenstadttunnels.
Die Fahrzeuge sehen teilweise noch richtig schön alt aus, nach U-Bahn, ein bischen wie die alten Hamburger U-Bahnen. Es gibt anscheindend 3 Fahrzeug- generationen, eine noch mit netter Fronttür und nur eine ist davon neumodisch. Vor ein paar Jahren sollen sogar noch holzbeplankte Wagen unterwegs gewesen sein. Und anscheinend gibt es sowohl Stromschienen als auch Fahrleitungs- Strecken. Hier hat der Bahnhof beides. Ein Blick in den Netzplan verspricht eine richtig bergbahnmässige Trasse zum Holmenkolmen, dem Osloer Hausberg.
Vielleicht ergibt sich auf der Rückfahrt ja noch mal einen Gelegenheit, dort hoch zu fahren. Jetzt ist aber gerade noch Zeit für die eine Station U-Bahn zum Nationaltheater. Dort ans Tageslicht, mitten in der Altstadt, auf halber Strecke zwischen Bahnhof am Einen Ende der Altstadt und Majorstuen am Anderen. Ein paar nette Steinhaufen finden sich, aber insgesamt macht die Altstadt keinen besonders sehenswerten Eindruck. Der bald erreichte Bahnhof dagegen schon (siehe oben), schliesslich steht die Fahrt auf der weltberühmten Bergensbahn bevor! Acht Stunden quer durch die sagenumwobene Landschaft Südnorwegens, von Oslo bis zur Küstenstadt Bergen.

Und weil es so schön ist, hier ist er nochmal, Oslo S.

Für die Traktion des Expresszuges ist eine El18, die norwegische Version der SBB460 zuständig. Acht Wagen bilden den Zug. Die Reservierung verweist auf einen Gangplatz, das kann ja heiter werden.

An Bord viele Pauschaltouristen, schliesslich ist die Bergensbahn ein touristisches Muss in Norwegen, auch Bestandteil des Kurztripps 'Norway in a nutshell' - dazu später mehr. Mit 10min Verspätung geht es los. Der Fensterplatz bleibt frei, ansonsten ist natürlich mal wieder fast jeder Platz ausgebucht.
Im Raum Oslo gibt es zwei Möglichkeiten auf die Bergensbahn zu kommen, ähnlich wie von Berlin nach Michendorf, wir nehmen entgegen den Kursbuchangaben den Weg obenrumm und erparen uns damit einige Halte. Dafür gibt es ein paar nette Blicke vom Talhang bei Soa und schliesslich den Keilbahnhof Honefoss, wo beide Äste wieder zusammenführen. Hier wird gesägt, der Zug wechselt von der einen Seite des EG auf die andere. Aber wieder erwarten setzt die Lok nicht um.. Dann ist erstmal Pause, wir warten auf den Bus, der die Fahrgäste der ausgelassenen Halte einsammelt. 20min Zeit, um die interessante Bahnhofsanlage von Honnefoss zu studieren. Die Verwunderung bei einigen anderen Fahrgästen ist umso größer: 'Das verstehe ich nicht, die Landschaft war ja ganz anders als im Prospekt beschrieben...', offesichtlich ein Probelm fÜr manche Hapag-Llloyd- Pauschal-Touristin. Als man sie aufklärt, dass das auch so sein muss, wenn man eine andere als die ausgeschriebene Strecke fährt, ist sie völlig aus dem Häuschen...

Irgendwann ist der Bus da, und mit ihm eine neuer Sitznachbar. Weiter. Bei Gol wird passend zur Strecke zwei Reihen weiter in einem Autoatlas gerade die Strassenlage um Beroun analysiert. Aus eigenen Erfahrungen gesprochen, es da einfach zu viele Strassen, manche sollen gar Motels am Rande haben.
Die ersten 3h begleiten uns grüne Täler und Berge, ich erwarte ständig die totalen Highlights, auf der vielumworbenen 'Most famous railway route...' Aber wenn man schon so rangeht, zumindest bis Ustaoset ist das Hoffen vergeblich. Doch dann tatsächlich: Ein richtiger Güterzug! Der erste nach 2000km Bahnfahrt durch Norwegen - und er bewegt sich sogar! Unglaublich. Wir steigen weiter, die Landschaft wird kahler, steiniger und die bekannten Namen rücken immer näher. Und irgendwann sind wir oben, inmitten einer grauen Brühe, Schnee liegt ringsrum, Gletscher und dann war der Scheitelpunkt erreicht: Finse. Der Bahnhof liegt genau 1222m hoch, das sind ca. 100m mehr als der Brockenbahnhof. Das Ziel Bergen dagegen hat fast Höhe Null, bis dahin sind es aber noch 200km. Die ersten davon - früher sicherlich die spannendsten der ganzen Strecke - laufen größtenteils in Tunnels, als wir endlich wieder raus sind, ist die Landschaft total verändert, die kahle Schneehochfläche ist grüner Vegetation gewichen. Zwar immer noch über der Baumgrenze sehen die bemosten Berge jetzt doch ganz eigen aus. Nochmal ein Tunnel und dann taucht Myrdal auf, der Abzweigbahnhof der weltberühmten Flamsbana, sie führt von hier auf nur 20km 700m bergab bis an den Rand eines Fjordes und ist - zumindest für unsere japanischen Zeit- genossen wohl der Eisenbahnhöhepunkt Skandianviens.
Myrdal. Hier trifft die Flamsbana (links) auf die Bergensbana (rechts).



Aber nochetwas gibt es ab Myrdal: Regionalpersonenverkehr nach Bergen, der in keiner der bisher vorliegenden Fahrplandrucksachen enthalten ist. Das schafft ja ganz neue Plaungsmöglichkeiten, schließlich braucht man einen Öngel nicht zu reservieren!
Nochmal eine Stunde weiter unten liegt Voss, eine Kleinstadt, nun ist die Vegetation zurück. Kurze Zeit später werden die ersten Fjorde erreicht. Die folgende halbe Stunde schlängelt sich die Strecke am Ufer entlang, mal links, mal rechts, wieder unterbrechen oft lange Tunnel den Ausblick. Und dann kam noch Arna und die Vororte von Bergen beginnen. Stilecht hat Regen eingesetzt, als wir in der Dämmerung in die hübsche kleine Bahnhofs- halle von Bergen einlaufen. Acht Stunden Bergensbahn sind zu Ende. Ganz nett die Strecke, das totale Higlight war aber nicht zu finden - abgesehen von DEM norwegischen Güterzug - oder bin ich einfach übersättigt?
Das Ziel: Der Bahnhof von Bergen.

Als der Regen aufhört geht es los. Hübsche alte Häuschen, viel Holz prägen die Stadt. Wie es sich bei dem Namen gehört, geht gleich hinter dem Bahnhof ein Berg los, auf den sogar eine Bergbahn fährt, trotzdem ist das nicht die Bergensbane...

Ein paar O-Busse ältere deutscher Produktion künden von Betrieb des O-Bus-Netzes, am nächsten Tag sind sie verschwunden. Dann der Markt, direkt am Hafen, umgeben von vielen netten Fachwerk- häusern, die Touristeninformation, eine Herberge sei gleich nebenan und Schiffe, ja die fahren immer morgens nach Flam und Stavanger.

Und dann steht sie plötzlich vor mir, mit verpacktem Fuß: Anne. Sten Nadolny hatte Recht, Netzkarte funktioniert, auch im wirklichen Leben, und nicht nur in Deutschland. Fast 2000km haben wir jeder zurückgelegt, seit wir uns am Sonntagmorgen in Abisko verabschiedeten... Die letzten Tage waren für sie nicht von Höhenflügen gezeichnet, der Fuß scheint ganz schön in Mitleidenschaft gezogen, sie kann kaum gehen. Zudem ist sie fast pleite, die Hurtigruten mit Kabine an die 1200NOK und und das Hotel in Fauske konnte preislich mit dem Nachtzug nicht ganz konkurieren...

So beschliessen wir, nur noch zu Herberge hinüberzuwechseln. Ein Bett gibt es noch - fast das billigste in einer O-Bus-Stadt überhaupt, für NOK 100 fast geschenkt in Norwegen. Zwei Schalfsäle stehen zur Verfügung, einer hat wohl 24 Betten und einer 38, nicht gerade Luxus, aber genau das richige. So sitzen wir zusammen im Gemeinschaftsraum und erzählen unsere Stories, wie unterschiedlich doch die Wege sein können...
Irgendwann gibts noch ein kleines Konzert, eine Pfadfindergruppe steht zum abendlichen Rapport und wertet den Tag aus, und zum Abschluss wird zünftig aus voller Kehle gesungen. Wir lauschen ergeben, Anne ist hingerissen. Dann verabschieden wir uns. Sie geht schlafen, ihr Fuß schmerzt, ich mache mich nochmal zum Fährterminal auf den Weg.
Bergen bei Nacht.


Dort gibt es viele Prospekte, zwei Fähren sind zur Auswahl, nach Stavanger und Bergen. Beide sind für ca. 400NOK zu haben, nur die Ermäßigungen lassen noch Verhandlungsspielraum...