Vom Ende der Welt

Reisebericht von Thomas Kabisch


Teil X: Heimwärts.



So, 08.09.02

Und dann war er da, der letzte Tag der großen Reise. Zurück nach Berlin heisst es heute abend.
Vorher gibt es aber nochmal Stockholm live vom Feinsten. Frühstück in der Selbstbedienungsküche, eine richtige kleine Idylle weit weg vom Lärm der Großtstadt und doch mitten drin ist das Wanderhejm. Heute wird es nochmal richtig warm. Etwas was es auf dieser Reise gar nicht so richtig gab, ist Schwitzen...


Ästra-Bro in Stockholm.


Natürlich lacht die Stockholmer Sonne auch an diesem morgen schon. Die Sachen bleiben erstmal in der Herrberge bis zum Nachmittag. Das erste Ziel ist die Ästra-Brücke, die von hier fußläufig zu erreichen ist, durch eine Kleingartenanlage und einen Park, zum Ufer. Sonntag morgen. Die totale Ruhe. Nur einige Jogger sind schon unterwegs. Spiegelglatt ist zu dieser frühenn Stunde das Wasser - und ermöglicht herrliche Spiegelungen der Brücke.
Eine halbe Stunde, genug für mehrere S-Bahnen auf der Brücke, dann weiter. Drunter durch und zur U-Bahn.
Die Saltsjöbana ist natürlich auf dem Programm. Die fährt aber nur im Halbstundentakt, ist gerade weg und ausserdem ist SEV aufg einem Abschnitt. Und da Saltsjöbaden ein beliebtes Sonntagsausflugsziel ist, läuft der Bahnsteig bald über, als endlich der U-Bahn-Wagen mit Dachstromabnehmer und Blumenbrett einläuft. Ein sehr origenller Umbau. Und erst die Strecke! Gleich am Anfang geht es richtig los. Tunnel. Und wenig später, eine sehr interssant aussehende Klappbrücke. Dann durch Wälder und irgendwann ist Schluß. SEV. Es ist nicht ganz klar, ob nun alles bis zur Küste SEV ist oder ob da vielleicht doch noch 'dahinter' was fährt. Also rein in den Bus. Und er fährt, und fährt und fährt, irgendwann reichts. Also wieder raus, rüber in den Gegenbus und zurück.




Irgendwo auf der Strecke nach Saltjöbaden, Übergang zum Ersatzverkehr....


Just in dem Moment als die Türen des angekommenen Busses sich öffnen, schließen sich ca. 300m dieselben beim Pendelzug in Richtung Stadt und als die meisten Fahrgäste ausgestiegen sind, ist die blaue 'U-Bahn' im Wald verschwunden... Das ist doch ein Sichtanschluß vom Feinsten. Nun haben ca. 100 Fahrgäste viel Zeit sich den auf dem zweiten Bahnsteig abgestellten Reserverzug anzugucken - zumindest scheint es so, denn als ich mit dem Ziel eines Fotos desselben zu eben jenem zweiten Bahnsteig laufe, folgt mir nichtsahnend natürlich die ganze Busbesatzung (ca. 100 Fahrgäste) hinterher... ...um dann festzustellen, dass der Zug natürlcht 'Ej Traffik' ist, sprich abgestellt und zugeschlossen.
Die anwesenden Herrschaften in adretten Connex-Uniformen haben nun Erklärungsnöte, und fangen mit einmal an zu versichern, dass der Reservezug gleich abführe - nur ich kann das so ganz nicht glauben...
...und irgendwann glauben sie es selbst nicht und beordern die ganze Horde zum anderen Bahnsteig durch den Tunnel.
...und dann doch wieder zurück zum 'Ej Traffik' Zug. Mann kann also nicht sagen, dass bei Connex den Reisenden nichts geboten wird. ...und dann, oh Wunder (zwischenzeitlich sind natürlich 20 von 30min eines Taktes vergangen) öffnen sich die Türen des abgestellten Zuges. Es darf eingestiegen werden. Nun sitzen wir drinnen. Schon besser, aber fahren, daran ist natürlich nicht zu denken. Schließlich ist ja da noch ein anderer Zug auf der Strecke... ...und als der dann rein ist, geht es los, ziemlich genau 30min nach der letzten Abfahrt...

Also zurück zur Klappbrücke. Von einem der in Stockholm allgegenwärtigen Felsen kann man sogar ganz gut von oben draufgucken. Und unten gibt es jetzt Betrieb im Akkord. Zwischenzeitlich hat man wohl doch die Kreuzungsweichen wiedergefunden, und nun kommt ein Zug nach dem anderen... Plötzlich schliessen sich die Schranken senkrecht zu den Gleisen, die Ampeln der paaralelen Strasse gehen auf Rot - und es klappt, besser gesagt, die Brücke klappt.


Klappbrücke an der Saltsjöbadenbahn, das Gleis im Vordergrund.



Erst die Eisenbahnbrücke und dann die breitere Strassenbrücke hinterher. Eine angenehme Art der Verkehrsberuhigung. Und dann sieht man einen hauchdünnen Stab - natürlich der Segelmast - unten queren. Wenn das nichts mit Geldtransportern und Bank Johandsen zu tun hat... In der Innenstadt ist derweil eine andere Verkehrsberuhigung in vollem Gange, der Stockholm-Maraton, oder so ähnlich. Eine schier endlose Menscheschlange schlängelt sich über die Brücken der Gamla stan.


Fünfgleisig ist die Haupttrasse der U-Bahn zwischen Bahnhof und Gamla Stan.


Apropos Brücken, die Ästra-Brücke hat ja auch noch eine spektakuläre Südseite und die steht jetzt richtig im Licht. Hin kommt man am besten mit der Tverbana, die hatten wir gestern schon, das ist die neue Tram mit Schaffner.

Dann läuft man noch ein ganzes Ende durch den Wald um dann auf einem wunderschönen Aussichtsfelsen die beeindruckende Konstruktion bestens im Blick zu haben. Green-Cargo schickt eine Rc3 - aber eine blaue.
Baustellenbesichtigung. Die paaralele Brücke ist im Werden, aber es wird noch einige Zeit dauern, bis sie fertig ist.

Und dann muss langsam Zinkensdamm wieder angesteuert werden. Schließlich fährt um 21Uhr der Nachtzug nach Berlin, und zwar von Malmö - und das sind, 630km, die noch vorher zurück gelegt werden wollen. Und eine Reservierung ist noch von nöten. Da hat sich die SJ was ganz besonderes ausgedacht - einen Bereich für Kinder und Hunde und das sei der einzige, wo noch Plätze zu haben sind. Na dann wauwau.

Dass dann wenige Stunden später tatsächlich ein Hund mein Sitznachbar sein sollte, konnte ich vorerst noch nicht so ganz glauben...

Der Rest ist schnell erzählt, irgendwann heisst es auch mal wieder Abschied nehmen, zwei Tage waren viel zu kurz für diese wunderschöne Stadt, viel zu kurz ist die Kultur gekommen, aber es gibt sicherlich ein nächstes Mal.
So viel steht fest, Stockholm hat mich spontan in seinen Bann gezogen, ist vielleicht die angenehmste Großstadt, die mir bisher begegenet ist. Auf alle Fälle eine Reise wert, oder vielleicht ein Studium, eine Arbeit? Man darf gespannt sein. Und dann hatte der X2000 die Ästra-Brücke passiert und Kurs nach Süden genommen. Malmö, normalerweise der Begriff des Nordens, erscheint nun so weit im Süden...alles ist relativ.

Um 20Uhr sind wir da, 4Stunden für über 600km ist schon nicht schlecht. Ein wunder- schöner Bahnhof, viel Holz und Ziegel, angenehmes gelbes Licht, eine ruhe Kleinstadt, so erscheint der erste Blick auf den Bahnhofsvorplatz. Und Irgendwann werden zwei Nachtzüge bereitgestellt.

Beide fahren in europäische Hauptstädte, einer hat 11Wagen, fährt 600km weit, das Ziel hat knapp 1Mio Einwohner, der andere, zur nur 300km entfernten Hauptstadt, diese hat fast 4Mio Einwohner. Wielang ist wohl dieser Zug?




EN111 in Malmö abfahrtbereit.


Richtig, letzterer hat genau 3 Wagen und ist auch sonst gaaanz was besonderes, EN111 Malmö - Berlin. Der erste private Fernzug Deutschlands - und der letzte der eine Fähre benutzt? Wahrscheinlich schon. Pünktlich um 21:40Uhr setzt sich die Rc4 in Bewegung zum Südpol Schwedens, Trelleborg.

Kein 20min später ist es erreicht. Ein kleiner Bahnsteig, die Rc4 bleibt zurück, und wenige Minuten später ist der Nachtzug komplett im Schiffsrumpf verschwunden. Oben im Ausichtsdeck angekommen, hat die 'Sassnitz' abgelegt, die Lichter von Trelleborg verschwinden in der Nacht. Wehmut.

Adé Scandinavia! Ich komme wieder.



Zug im Schiff: EN111 auf der Sassnitz.



Aber noch ist es nicht ganz verschwunden. Mit uns reisen als letzte Boten des Nordens die drei Schlaf und Liegenwagen der SJ. Sehr ungewöhnlich, so eine Fahrt im Liegewagen, die gar keine ist...irgendwann war ich dann doch eingeschalfen.

Mo, 09.09.02

Tief in der Nacht kommt Bewegung auf, her und hin, so alle Gleise durch. Fährhafen Mukran, einst das Tor nach Litauen, nun auch in den Norden und eigentlich ein Grund zum Wachbleiben. Die Möglichkeit, diese Gleise zu befahren, gibt es jedenfalls nie zu anderen Zeiten... Neustrelitz dann doch verschlafen, irgendwann gegen 6Uhr wird Schönefeld verkündet.
Ein Glück, dass Schönefeld - jedenfalls aus Richtung Malmö - so viel vor Lichtenberg liegt und man als Lichtenberger doch ordentlich ausschlafen kann...

Naja nicht ganz. Ankunft um 7:18Uhr, Gleis 22. Einige Gleise weiter vorn fährt fast paaralel ein: D344 aus Kiew, mit ihm, oder seinem Bruder, dem 345 hatte alles begonnen, am Abend des 10.08., als es es hieß : Abfahrt zum Ende der Welt! Vier Wochen voller einmaliger Eindrücke und Erlebnisse sind vorbei. Der Kreis ist geschlossen.

Die Reise endet wo sie begann, Berlin Lichtenberg.




Berlin Lichtenberg, am Morgen des 9.9.2002


Und das ist das ENDE Vom ENDE DER WELT.