Vom Ende der Welt

Reisebericht von Thomas Kabisch


Teil I: Durch den Eisernen Vorhang.



Fortsetzung RB "Zum Ende der Welt" von Kai-Uwe Thiessenhusen

Murmansk - Ivalo - Rovaniemi - Kemi - Haparanda - Lulea - Kiruna - Abisko - Narvik - Fauske - Trondheim - Dombas - Andelsnes - Oslo - Bergen - Flam - Bergen - Oslo - Goeteburg - Stockholm - Malmoe - Berlin

26.08.2002 - 09.09.2002

Vorbereitungen

So , 25.08.2002

Ein sonniger Sommertag, ca. 20 Grad fuer Murmansk heiss. Einmal werktaeglich soll von Murmansk ein Bus nach Ivalo und weiter nach Rovaniemi in Finnland fahren.
In Russland faehrt man den ganzen Tag oder man ist mit dem Organisieren der naechsten Fahrkarten den ganzen Tag beschaeftigt. Der 25.08. ist ein Orga-Tag.
Anstehen nach Fahrkarten. Nach einer halben Stunde am Schalter mit der Aufschrift "Bilety do Ivalo" verweist man uns auf den - fast leeren Nachbarschalter, wo eben diese Anschrift fehlt. Stempln, ausschneiden, nochmal stempln, Buch ausfuellen, und nochmal 15min spater bin ich um 2100 Rubel aermer und stolzer Besitzer eines Fahrscheins "in den Westen" - nach Rovaniemi/Finnland, Abfahrt Montag frueh 8:30Uhr (MZ), Ankunft Rovaniemi 20:45 (OEZ)

Durch russische Waelder

Mo, 26.08.2002

Der Tag der Trennung. Bis hierher war das Reisekollektiv zu dritt unterwegs, nun fahren zwei fahren zurueck, einer weiter.
Nahezu zeitgleich verlaesst ein 22-Wagen-Schnellzug (ab 8:26Uhr) mit dem Stammreisekollektiv an Bord und ein 9-Sitziger Kleinbus (ab 8:30Uhr) den Murmansker Bahnhof. Im Bus der "Westkurswagen" des Reisekollektivs. Bis Kola ist der Weg der gleiche.
Der neunsitzige Kleinbus war allerdings klar schneller ;-) Dann trennen sich die Wege, der Kleinbus erreicht hier die Strasse ins Nirgendwo, sie fuehrt nach Lotta, dem Grenzuebergang nach Finnland. Wenige Kilometer paaralel zur Trasse der Bahn nach Nikel, hier kommen noch einige Siedlungen, ein Stausee, dann eine Kreuzung mit der Bahn und die Waelder beginnen.
An Bord sind insgesamt fuenf Fahrgaeste. Neben mir eine Studentin, eine Frau mittleren Alters, ein Grenzbeamter und ein weiterer Herr. Nach 2h Fahrt eine Rastpause, wir fahren im Konvoi mit einem Kleinlaster, dann taucht noch ein Lada auf und der erste Fahrgast, der Grenzer wechselt. Da warens nur noch vier.
Seen, Waelder, nur alle halbe Stunde kreuzt ein Fahrzeug unseren Weg, Siedlungen gibt es nicht mehr.
Baumassnahmen. Stellenweise wird umgeleitet, oft kilometerlang ueber staubige Waldwege. Offensichtlich baut man aus dem noch gemuetlichen Straesschen eine Gueterrennbahn in die EU...
Nach 150km eine Tankstelle, vermutlich die letzte vor der EU, Grund genug nochmal alle Tanks und Reservekanister aufzutanken.
Letzter Tankstop in Russland.

Nach 200km dann ein Wegweiser, der Abzweig nach Nikel und Kirkenes, hier beginnt die Grenzsperrzone, 100km vor der eigentlichen Grenze! Der erste Posten mit Schlagbaum - ein russisches Wort uebrigens... Nach kurzer Passkontrolle wird die Sperre geoeffnet - weiter.
Irgendwann hoert der Asphalt endguelig auf, nun ist es nurmehr ein Sandweg, es rappelt maechtig gewaltig. 95km weiter, also 5km vor der Grenze der naechste Halt, Grenzvorposten Nr2. Hier sieht die Anlage schon umfangreicher aus, ein richtiger Holzturm ueberthront die Strasse, wieder ein geschlossener Schlagbaum, wieder Durchfahrsperren. Diesmal verschwindet aber ein Zaum links und rechts im Wald. Passkontrolle Nr2. Auch hier geht es schnell und unbuerokratisch, der Bus darf passieren.
Die Spannung steigt, die Kilometertafeln naehern sich der 0... Sie sind zweiseitig bedruckt in diesem Falle mit der Entfernung von Kola auf der einen und der zur Grenze auf der anderen. Dann der dritte Posten, unter hohen Baeumen - die Grenzanlagen! Sie sehen eher wie ein Campingplatz im Walde aus...
Trotzdem bin ich mir nicht sicher, dass nun alles reibungslos ablaeuft. Zu viele Schauergeschichten hat man gehoert, mit den Stempeln, den Registrierungen, vieles könnte unkorrekt sein... Zudem liegt die Gepaeckdurchleuchtung an der Kalinigrader Grenze noch nicht so lange zurück. Das muss wirklich nicht sein.
Schliesslich sind die wichtigsten Souveniers der Reise auf fast 20 Filme gebannt und ob hiesige Geraete wirklich "Filmsafe" sind? Aussteigen, das Gepaeck bleibt allerdings im Bus. Die Filme sind vorsorglich aussortiert.
Das gefuerchtete Geraet ist sogleich entdeckt, aber steht in einer Ecke und wird offensichtlich nicht benutzt. Glueck fuers erste. Waeren noch die Stempel. Aber auch die Befuerchtung erweist sich als unbegruendet. Der Pass wird genau inspiziert, dann klackt der Stempel "Lotta" zweimal, einmal aufs Visum und einmal extra als "2.Ausreise" und wir duerfen wieder einsteigen, um 100m weiter zu fahren...
Und schon leuchten die blauen Schilder "European Union" und ein paar bunte verkuenden "Suomi - Finland".

Rentiere, Seen und noch mehr Waelder

Aber ganz so schnell ist's dann doch nicht. Nun heisst es erstmal warten. Schliesslich steht vor uns 1 (ein) Auto am finnischen Zoll, und die Finnen hier scheinen ihren Job genau zu machen.
Eine halbe Stunde spaeter fahren wir vor. Nun muss das Gepaeck mit raus, fuer alle anderen Reisenden des Busses ist diese Seite der Grenze wohl die groessere Huerde, und so dauert es alles etwas laenger. Russen brauchen nachwievor einen wichtigen Grund zur Einreise nach Finnland, alle zeigen neben Pass noch andere Dokumente vor. Und fuer einen aus dem Auto vor uns scheint die Reise hier zu Ende. Auch wir verlieren einen weiteren Mitreisenden, der hier ein Auto abholen will, da warens nur noch drei.
Irgendwann komme ich mit Maria ins Gespraech, sie ist die Studentin aus unserer Reisegemeinschaft, stammt aus Archangelsk, spricht neben russisch auch fliessend Finnisch und will in Rovaniemi studieren. Natuerlich spricht sie auch noch Englisch, die Sprache die von nun an der Kommuniktionsstandard wird. Irgendwann bin ich an der Reihe. Man hat hier Zeit und so wird auch mein Pass genau inspiziert. So ein Job an einem einsamen Grenzuebergang ist auch manchmal ganzschoen droege und so ist mein Gegenueber sichtlich erfreut, ab und zu einen Gespraechspartner zu haben:
"Oh this stamp looks interessthing. What's that?" - "Romanian" - "And that one here?" - "Bulgarian." - "You travel a lot, isn't it?"... Trotzdem gibt es leider keinen Suomi-Stempel dazu... Dann war es geschafft, Willkommen in der Europaeischen Union. Es war die letzte Grenzkontrolle auf dieser Reise, es sind über 3000km bis Berlin. Und da war der Kulturschock, nicht das die Landschaft sich veraendert haette, aber die Strasse ist mit einmal tischtuchartig, nach Stunden des Geholpers faellt es doch arg auf.
Doch solche schoenen Strassen muessen doch genutzt werden, dachten sich die Einheimischen, die hier meist ein Geweih und vier Beine haben. Schon 10km hinter der Grenze lernen wir die finnische Art der Verkehrsberuhigung kennen.
Vollbremsung. Aber so einfach ist das nicht. Das Rudel Rentiere steht immer noch vor dem Bus auf der Strasse und bewegt sich nur sehr zoegerlich...Lappland. Und dann eine Siedlung, viele flache Bauten, sehr verteilt.
Ivalo, 14Uhr.

Ivalo, der Vorposten der westlichen Welt, 303km nach Murmansk!

Vorerst Endstation. Der Mini-Bus verschwindet sofort wieder gen Russland. Der naechste in Richtung Rovaniemi geht erst um 16:45Uhr. Ortsbesichtigung. Einkauefe. Schliesslich müssen finnische Euro, genau die mit den Vögeln drauf, eingesackt werden.
Also Supermarkt. Der erwartete Preisschock bleibt aus, vielmehr gibt es Pfannkuchen fuer 20Cent. Postamt. Eine Elch-Postkarte und paar Briefmarken - und da war endlich ein Euro - ein Deutscher!
Irgendwann geht es weiter. Diesmal mit einem grossen Volvo-Reisebus, Express nach Rovaniemi. Nocheinmal 300km, durch Waelder, Seen - eben Finnland. Einige weitere Vollbremsungen inclusive - Rentier auf der Strasse! Auch vor grossen Bussen scheinen sie sich nicht zu fuerchten. Hier regiert wirklich noch die Natur.
In Rovaenkuela auf halber Strecke dann wieder eine Verabschiedung, die Dame mit viel Gepaeck wird abgeholt, faehrt privat von hier nach Kiruna in Schweden. Ich werde einige Kilometer mehr und einen Tag laenger bis genau dahin brauchen...Da warens nur noch zwei Reisende aus Murmansk. Maria scheint wirklich viel Energie zu haben, sie ist nicht nur in Finnland, nein auch in Narvik schon gewesen...

Lappland. Wälder, Seen, Holzhütten.

Dann irgendwann haben wirs geschafft, am Christmas-Park (hier soll Santa Claus zu Hause sein) wird der Polarkreis ueberquert, wenig später beginnt Rovaniemi, die groesste Stadt in Lappland.
Am Bahnhof verlaesst Maria den Bus, sie wird abgeholt, ade! Unwiederbringlich ist die Fahrt am Busbahnhof zu Ende, nach 12Stunden Busfahrt ist diese erste 600km-Etappe geschafft.

Das Hostel ist schnell gefunden, einfach und preiswert, 13Euro fuer die Nacht. Die Stadt betonig, eine Doppelstockbruecke ueber einen Fluss fuer Bahn anch Kemjarvi und Strasse der Hoehepunkt. Morgen geht es weiter, westwaerts, nach Schweden, weiter auf Schienen!