Vom Ende der Welt

Reisebericht von Thomas Kabisch


Teil VIII: Norway in a nutshell.



Fr, 06.09.02

Früh los. Noch eine Begegnung mit Anne am Frühstückstisch, sie will mit mit Tageszug zurück nach Oslo, mein Weg geht zunächst in die andere Richtung. Gegen 7:45Uhr ade, für immer, Anne? Du warst jedenfalls eine richtig gute Bereicherung der Reise. Sehen wir uns wieder?

Keine 200m von der Herberge ist der Hafen. Dort ist viel mehr Betrieb als gestern. Um 8Uhr soll der Katamaran nach Flam starten, um 8:30Uhr der nach Stavangar. Die Entscheidung triff schließlich die Dame am Schalter der Flam-Fähre. Die Flam-Fähre gibt 50% für Studenten, die nach Stavanger für Leute mit Scanrail. Ich bin beides, allerdings habe ich nur einen Berliner Studiausweis, keinen internationalen. Aber man scheint zu ahnen, dass es hier für die Flamfähre heisst: 50% verdienen oder nichts - und so wird der Berliner Ausweis anerkannt. Na dann Schiff ahoi!

Flam liegt am Ende des Aurlandfjords, dieser bildet einen Seitenarm des größten norwegischen - des Sognefjordes, der ca. 200km lang und anfangs über 1km breit ist. Eine vierstündige Katamaranfahrt durch traumhafte Fjordlandschaften steht also bevor.

Der Sognefjord in der Nähe der Mündung.


Zunächst aber geht es westwärts, hinaus auf den Atlantik, der westlichste Landzipfel Norwegens wird kurz hinter Bergen umfahren. Damit hat diese Reise auch ihren westlichsten Punkt erreicht, kaum mehr scheint es an Bord dieses High-Tech-Katamarans glaubhaft, dass der östlichste irgendwo bei Belomorsk, am Weissen Meer lag, wo wir mit dem Zug St. Petersburg - Murmansk noch vor knapp 3 Wochen zwei Zeitzonen weiter östlich unterwegs waren.
Nun aber geht es zwischen Inseln hindurch, mehrere atemberaubende Hochbrücken werden unterfahren, spätestens hier wird klar - Norwegen ist nicht das ärmste Land... Dann weitet sich das Meer, wir sind durch und an der Mündung des Sognefjordes angekommen, dessen gegenüberliegende Ufer kaum auszumachen sind.
Wir biegen in weitem Bogen nun wieder ostwärts, hinein in den Fjord. Hinter uns markiert eine weisser Strich lange den Weg, den wir genommen haben. Mit ca. 60km/h jagt der Katamaran über das Wasser. Man darf sogar draussen stehen. War es anfangs noch regnerisch, wie es sich für Bergen gehört, meldet sich nun die Sonne und beleuchtet die näherrückende Fjordlandschaft in allen Farben. Nach einer Stunde Fahrt haben ist der erste Haltepunkt erreicht, weitere folgen jetzt im 20min-Abstand, jeweils abwechselnd links und rechts am Fuße der Berge. Ein Postkartenmotiv nach dem anderen zieht vorbei, da ein rotes Fischerhäuschen, da eine weisse Holzkirche, alles von intensiver Sonne vor einem noch grünen Hintergrund.
Postkartenlandschaft. Irgendwo im Sognefjord.


Irgendwann ein Denkmal am Ufer - welcher Krieger hier welches Volk bewachte? Vergessen.

Ein interessantes Detail sind allerdings die Traktorreifen, die auch hier, im ach so perfekten Norwegen offensichtlich das beste Mittel darstellen, um puffernd zwischen Schiff und Kaimauer zu wirken. Hier fällt es richtig auf... Von Oberstock kann man dem Kapitän bei der Arbei zugucken, wie er mit zwei Joy-sticks den Katamaran zielsicher über den Fjord lotst. Es sieht alles ziemlich high-tech aus und so nach Flugzeug. Aber man belehrt mich, dieser Katamaran sei schon ein älteres Modell, und es sei zwar alles wie im Flugzeug, nur die Bezahlung sei unter- schiedlich...da kann man ja fast Mitleid bekommen...
Und dann - die Felswände an den Ufern rücken immer näher zusammen - hatten wir nach allen ausliegenden Karten die Abzweigung nach Flam verpasst. Huuuuuch? Verfahren? Liegt das vielleicht an der schlechten Bezahlung des Kapitäns? Aber die Aufklärung vom eben jenem kommt sofort, da wird nämlich eine bevorstehende 'Midfjordscorrespondence' verkündet.
Wie jetzt? Gibt es das, was einige Leute auf der Fähre Sassnitz-Trelleborg vermuten etwas weiter nördlich etwa doch, den Kreuzungspunkt 'Mitte See'? Und tatsächlich, ein Blick nach vorn, wir steuern zielstrebig auf ein Fährschiff in der Mitte des Fjordes zu, werden langsam, Ballons an steuerbord heruntergelassen, und wenig später: angelegt. Der Steg wird rübergeschoben, die Agenten aus- getauscht und schon eine Minute später erinnert nichts mehr an das dubiose Schauspiel, als weit hinter uns ein Fährschiff gerade hinter einem Felsvorsprung verschwindet...

Nun geht es aber an der richtigen Abzweigung um die Ecke und wieder werden wir langsam. Am felsigen Ufer haben sich einige Seehunde niedergelassen und dürfen nun von den Passagieren beobachtet werden. Oder beobachten sie die gaffenden Touristen? Und dann noch einige km im Aurlandfjord aufwärts, an einigen atemberaubenden Wasser- fällen vorbei, dann irgendwann wieder ein Abzweig, diesmal ist es der weltberühmte Nearowfjord der abzweigt. Aber um da reinzufahren hätte man midfjords- korrespondieren müssen. So geht es noch ein Stück gerade aus und dann ist Schluß, der Fjord zu Ende.
Ankunft in Flam. Rechts der Bahnhof der Flamsbana.


Flam, Ankunft direkt neben den Bahnsteigen der Flamsbana, der wahrscheinlich modernsten Museumsbahn der Welt!

Die 'hisorischen Züge' der Flamsbana bestehen aus El-17, einer 90er Jahre- Konstruktion, die sich im normalen Eisenbahnbetrieb irgendwie nicht so recht bewährte.

Wichtig für einen zünftigen und vor allem profitablen Museumsbetrieb ist nur (ausser den Tradionsfarben natürlich), dass er in allen einschlägigen japanischen Reiseführern erwähnt wird. Und so fühle ich mich kurzerhand nicht wie in der nähe des westlichesten Punktes der Reise, sondern gaaaanz weit östlich.

Und was ist noch wichtig für die Kundenzufriedenheit? Natürlich ein ansprechender Bahnhofsgong. Und dieser hier schlägt natürlich den von Decin um längen, schliesslich wollen nicht nur allen Norweger, Schweden, Finnen, Engländern und Japaner in der jeweiligen Landessprache begrüßt werden, nein auch der deutsche Tourist freut sich, wenn er hört 'Willkommen auf der weltberühmten, atmenberaubeneden, wunderschönen Flamsbana' und schreitet sodann sofort zum Ticketkauf. Achso - ein attraktives Preis- system ist natürlich auch wichtig. Wie freut sich doch der Scanrail-Inhaber, dass er hier sogar Rabatte kriegt, und strahlend hält er sein BilligTicket (R) in der Hand, was für 20km nur ca. 20 Mark kostete.
Nun steht der atemberaubenden Fahrt nichts mehr im Wege. Der Halbstundentakt harmoniert genau mit den Ansagen, öfter kann man nicht fahren, sonst würden ja nicht alle Fahrgäste begrüßt werden können...

Schreib ich jetzt 'Und da waren wir in Myrdal angekommen.' - Aber vielleicht vermisst der Leser dann etwas. Es ist einfach unbeschreiblich. Aber ich versuchs trotzdem. Ohne den Bahnhofsgong und die vielen Japaner wäre es natürlich so ähnlich wie Anne es vermutete, eben eine Gebirgsbahn, wie sie auch in der Schweiz sein könnte. Nur das keine Schweizer Strecke das Meeresniveau erreicht, jedenfalls nicht, solange die Swissmetro nicht fährt...
Myrdal nach 20km ist dann fast 1000m hoch und das ist unbestritten ohne Zahnstange auf 20km sicherlich eine Leistung. Die sich verändernde Landschaft in verschiedenen Jahreszeiten von Seeklima (Sommer) über Mittelgebirge im Herbst und schließlich Hochgebirge - kahl also Winter und mit Schneeresten hat schon was, wie ein ganzes Jahr im Zeitraffer. Das es auch sonst landschaftlich nicht von schlechten Eltern war, dürfte auch nicht verwunderlich sein. Wer den Massenrummel geflissentlich ignorieren kann, mag es sicherlich gefallen. PS. Vor ein Paar Jahren war es noch eine echte Eisenbahnstrecke, es soll sogar Kurs- wagen von Oslo nach Flam gegeben haben...
In Myrdal wieder oben, an der Bergensbana. Nun gibt es zwei Alternativen direkt mit dem Nachmittagszug nach Oslo, oder nochmal nach Bergen und dann mit dem Nachtzug.
Ersteres bedeutet 6h Flugzeugfeeling, dagegen wartet Richtung Bergen etwas ganz Besondrers - ein Öngel, eine Elketitschka oder Kibel. Sowetwas gab es auf dieser zuletzt auf der Fahrt von Kaliningrad nach Zelenogradsk. Dieser hier ist natürlich gaaanz anders - oder auch nicht? Jedenfalls wird man natürlich erstmal zünftig unterhalten, es gibt mehrsprachige Haltestellenansagen - im Nahverkehr.
Immerhin hat er lange Lederbänke, fast ein Anachronismus in diesem Land. Der erste norwegische Zug bei Tageslicht, der irgendwie so aussieht, wie man es von einem Zug erwartet.
So klappern wir mal wieder westwärts, bis Voss, einer Kleinstadt 50km vor Bergen. Da war Schluss. Die Fahrplanbauer haben hier eine Stadtbesichtigung eingeplant. So richtig was zu sehen gibt es nicht, aber vielleicht liegt das an Übersättigung.

Ein Supermarkt findet sich zumindest, das wurde auch Zeit. Seit dem Frühstück gab es irgendwie überhaupt keine bezahlbare Nahrungsquelle auf dem Weg. Das Schild 'Supermarket' sollte erst später auf dem Dia aus Flam entdeckt werden.

Vor Ort wurde er erfolglos gesucht - Filme sehen eben doch mehr als das Auge... Gerade hatte ich mit dem Öngel angefreundet, da ist es auch schon wieder vorbei. Der nächste Elektritschka hat natürlich wieder Flugzeugsitze und wird unverständlicherweise auch noch voll bis auf den letzten Platz. Aber glücklicherweise sind es ja bloß anderthalb Stunden entlang von Fjorden, die ich langsam nichtmehr sehen kann. Wie erholsam ist da doch ein Nachtzug.

Der wird dann sogleich bei der Ankunft gebucht - Sovewagen natürlich. Dann ist aber noch Zeit, nochmal die Wikingerhäuser, oder wie sie heißen und auch sonstigen Stein- und Holzhaufen in der Abenddämmerung zu besichtigen.
Und nochmal: Bergen bei Nacht.


Um halb 10 zurück am Bahnhof, steht das Zügle schon bereit. Abfahrt ist erst kurz vor elf.
Man kann schon einchecken, am Schalter, auf dem Bahnsteig. Um 22Uhr endlich im herrlichen Bett, und als es dann viel später los- geht war ich schon fast eingeschlafen...