Vom Ende der Welt

Reisebericht von Thomas Kabisch


Teil IX: Großstadthopping.



Sa, 07.09.02

[Im Nachtzug Bergen - Oslo]

Durchschlafen. Ist ja auch nicht verwunderlich, schließlich heisst hier durch, bis kurz vor 7Uhr, dann waren wir da, Oslo S. Passend zum Bahnhof das Wetter: 20°, Regen.

Planung: 1127Uhr weiter nach Stockholm, vorher nochmal mit der U-Bahn hoch zum Holmenkolm. Dazu kommt es aber nicht.
"Denn klitzeklein stand irgendwo, klein (f) - fährt täglich - ausser Mo." Oder so ähnlich. Ok, korrekterweise müsste es hier 'ausser Sa' heissen, aber da wär ja der Reim dahin. Jedenfalls fährt der nächster Zug von der norwegischen zur schwedischen Hauptstadt fährt erst um 17Uhr.
Keine halbe Stunde später, also gegen 7:30Uhr dagegen startet an Gleis 7 ein klassicher Schnellzug mit lauter Sicken und einer schwedischen Rc4 - nur fährt der eben nicht nach Stockholm, sondern nach Göteburg. Kein Problem, Scanrail machts möglich.

Endlich wieder richtige Eisenbahn, Abteile, Holz und Fenster die man öffnen kann! Die schwedische Staatsbahn, Statens Järnvägar ist doch von gaaaanz anderem Holz.

Die Strecke scheint werktags für norwegische Verhältnisse regen Pendlerverkehr zu haben, am Sonnabend ist da natürlich Ruhe. So stehen überall Züge abgestellt. Sogar eine El16 gibt es mit abgestellten Zügen noch zu sehen. Erst geht es durch landschaftlich genutztes Hügelland, irgendwann war das dann zu Ende - und Norwegen auch. Mit Schweden beginnt der Wald, Wald, Wald. Auch im Zug ist es zu merken. Die meisten Fahrgäste verschwinden spätestens in Halden, dann geht es relativ leer über die Grenze und wenig später wird es wieder voll. Gibt es hier einen PKS-Bus, der die Grenze billiger passiert? Eben eine richtige EU-Aussengrenze...

Endlich wieder in der EU, fährt man auch wieder Bahn. Im Vorfeld von Öxneret kreuzen zwei Strecken irgendwie nahzu senkrecht niveaugleich, in Europa höchst ungewöhnlich.
Und dann wird es voll. Ein Rudel junger Leute stürmt in Öxernet den Zug. Ab Trollhäten ist das Abteil richtig voll. Ein Ehepaar sitzt gegenüber, sie schläft, er nutzt die Gelegenheit und guckt tief in die Flasche. Irgendwann fühlt er sich ertappt... Und dann, viele Gleise, Züge. Die zweigrößte Stadt Schwedens braucht Anlauf.

Nach 5 Stunden Fahrt laufen wir in den Kopfbahnhof von Göteburg ein. Und dann war es warm. Fast hätte hier gestanden: Ankunft im Süden! Aber bei dieser Reiseroute war es irgendwie wirklich so. Sonnenschein und 25°. Ein letzter Hauch von Sommer! Ein Blick auf den Bahnhofsvorplatz offenbart: Das ist die Tramstadt Skandinaviens.


Ein Göteburger in Göteburg, Blick auf den Bahnhofsvorplatz.


Im 20-Sekundentakt rollen die blauweissen Wagen über zahlreiche Kurven aus allen Richtungen in die viergleisige Zentralhaltestelle. Zudem gibt es noch einige sehr interessant aussehende Altbauwagen - die berühmten Göteburger eben. Aber Göteburg war doch garnicht als Ziel vorgesehen. Es bietet wohl noch Stoff für mehr. Ein gutes Ziel für die zweite Reise, die letzten beiden Tage des Tickets müssen ja noch abgefahren werden.
Also zurück in den Bf. Ticket für Georg nach Berlin kaufen. Leicht gesagt. In der zweitgrößten Stadt Schwedens gibt es am Wochenende keine internationalen Tickets. Jedenfalls nicht offiziell.
Aber diesmal klappt es noch trotzdem, eine Verkäuferin ist durch Zufall noch da, die den komplizierten Vorgang beherrscht - und so wird trotzdem geholfen. Zwei Monate später, beim gleichen Versuch, wird man solcherart nervige Kunden auf Kopenhagen verweisen, wohlgemerkt um eine Fahrkarte von Schweden nach Deutschland zu kaufen: 'Fragen Sie in Dänemark!' (Da klappte es dann auch tatsächlich.)



Viel Betrieb in Göteborg C: IC's und X2000 nebeneinander.


Dann eine Luxusentscheidung. Im Gegensatz zu Norwegen, gibt es hier richtige Auswahl. Nach Stockholm fährt alle paar Stunden ein IC und jeden zweite Stunde ein X2000.
Letzterer braucht drei Stunden, ersterer fast fünf. Und, ich resümiere es mit Schrecken - ich habe mich zum ersten Mal im Leben bewußt für einen Hochgeschwindig- keitszug ENTSCHIEDEN, trotz Alternative...
Gibt es vielleicht doch Kriterien die dafür sprechen? Ein Weltbild gerät ins Wanken, aber ist das denn erstaunlich, schließlich wankt der X2000 ganz planmäßig in den Kurven, und ist auch von drinnen erstaunlich annehmbar. Kein Schnickschnack, aber riesige, weiche Sitze. Und der Fahrplan ist, wie schon erwähnt, angebotsorientiert, sprich, man hat noch Platz im Zug.
Und nach einem Blick in den neuerstandene Tagtider (das kostenlose Kursbuch) bringt es an den Tag: 150km/h Reisegeschwindigkeit - ohne Neubaustrecke!

Hmm, die skandinavischen Entfernungen sind nicht ganz ohne, so geht auch die Kilometrierung auf dieser vergleichsweisen Kurzstrecke schon wieder bis 450... Die Landschaft scheint der Geschwindigkeit angemessen, meist ist es flach, viel Landwirtschaft.
Hallsberg ist ein großer Knoten, viel Güterverkehr - sowas sah man in Norwegen nicht. Und dann war schon Södertälje, ein Suburb von Stockholm. Es geht hoch droben drüber hinweg, Blick hinunter, dann folgen die Brücken. Erst eine riesige kurz hinter Södertälje und wenige Kilometer das Landmark von Stockholm: die Astra-Bro, über welche alle Züge aus dem Süden nach Stockholm müssen. Zweiteilig, mit Insel mittendrin und 1km lang - demnächst viergleisig, der Ausbau ist im Werden.
Dann durch die Altstadt ('Gamla stan')und hinein in den Centralbahnhof der Hauptstadt. Stockholm, das Venedig des Nordens. Ankunft 16Uhr, Sonnenschein, 25°.


Die Einflugschneise in Stockholm geht mitten durch die Altstadt.



Schon auf den ersten Eindruck ein wunderschöne Stadt, schließlich fährt die Bahn ja mitten durch, durch die Altstadt. Das muss einfach abgelichtet werden. Dann ist die Hostelsuche an der Reihe. Mit dem Bus nach Söderholmen - ausgebucht, die nächste in einem Schiff, ebenso ausgebucht. Weiter. Also U-Bahn fahren.

Am Zinkensdamm endet die Suche schließlihc erfolgreich. Ein Vandjerheim des STF, dem schwedischen KCT-Aequivalent. Wanderheime haben zwar nicht so ganz das Hostelfeeling, bieten dafür aber dafür für alle Alterklassen preiswerte Übernachtungen. Auch hier am Zinkensdamm kann man sich wohlfühlen. Um einen netten Innenhof scharren sich mehrere kleine Hütten mit Zimmern, Duschen und Küchen. In letzteren kann man selber kochen. Warum gibt es in Deutschland sowas nicht?
Das zugewiesene Schlafquartier findet sich schließlich in einer Art Wohncontainer, ganz hinten, in einer Extension. Auch hier scheint es das letzte freie Bett gewesen zu sein. Merke: In beliebten Zielen suche nie früh ein Zimmer, sondern stets spät, dann findet sich meist noch etwas, da dann nichtbelegte Reservierungen frei gegeben werden.

Im Container stehen 4 Doppelstockbetten, eine Japanerin ist gerade da, sie ist unterwegs durch Europa, jettet von A nach B, und nun da sie gerade in S wie Stockholm angekommen ist, ist sie zu müde, sich die Stadt anzugucken...
Das ist völlig unverständlich, schließlich ist ein Tag viel zu wenig Zeit für Stockholm!

Blick auf die Altstadt von Stockholm.




Bloss wo anfangen? Für den Pufferküsser das wichtigste Kapitel bewegt sich natürlich auf Gleisen durch die Stadt. Und da wären fast 10 U-Bahn-Linien, diverse andere, deren Identität teilweise Rätsel aufgibt, Strassenbahnen usw. Also erstmal mit der roten U-Bahn nach Ropsten. Man sieht deutlich in Stationen, dass hier der U-Bahnbau etwas anders geht als in Berlin. Einmal rummsch und fertig ist die Station in den Fels gesprengt und steht! So sehen die Decken auch stets sehr unsymmetrisch aus. Ropsten ist halb offen, halb im Tunnel.
Die hier losfahrende Überland-Strassenbahn wird ignoriert, in der Annahme, sie sei was neues. Also zurück. Zur Roslagsbana, die startet in Stockholm Östra. Hinter dem Namen verbirgt sich ein recht ausgedehntes 985(?)mm Überlandbahnnetz. Der Bahnhof Östra als innterstädtischer Endpunkt aller Linien überzeugt. Unmengen von Gleisen und abgestellten Zügen.


Der Schmalspurbahnhof Stockholm Östra bei Nacht.


Und es herrscht auch um 21Uhr noch ein 20min-Takt. Da muss man doch mal mitfahren! Und schon saust der Triebwagen lautlos los. Und fährt, fährt, fährt, mal eben durch die nächsten Stationen durch. Verdammt, da sollte doch eine Lückenschluss- wanderung zur U-Bahn losgehen - und dann hält er endlich: Mörby. Irgendwie findet sich auch hier noch ein Weg, schließlich fährt auch eine U-Bahn nach Mörby Centrum...

Also mit der U-Bahn wieder in die Stadt und wieder raus, jedenfalls ein Stück. Nach Alvis. Hier soll laut Plan die 'Tvärbana' mit der U-Bahn korrespondieren. Und das ist sie dann, die neue Strassenbahn. Sieht so ähnlich aus wie die in Paris, hat aber hier einen Schaffner!
Dann reichts aber langsam, das Bett um Mitternacht ist dann auch zwingend nötig, das Bett für die letzte Nacht in Skandinavien.