Heute sollte es nun an der Zeit sein. 40km in den Wald bergauf und
wieder runter. Insgesamt ca. 10 Stunden Fahrt, davon hat aber am Morgen
noch keiner von uns so recht eine Vorstellung. Andererseits, man kann
nicht sagen, dass wir nicht gewarnt worden sind: :
"Außer hartgesottenen Eisenbahnenthusiasten empfehlen wir niemandem ,
an ein und demselben Tag von Oberwischau bis zur Endstation Comanu und
wieder zurück zu fahren" (S. 136).
Aber wer sonst macht sich auf die beschwerliche und entbehrungsreiche
Reise nach Viseu de Sus?
Am Morgen. Ein erster Blick ins Werk: keine Dampflok zu sehen.
Wir sind etwas später als sonst, sollte der Zug etwa schon weg sein?
Dann: Dampfschwaden, an der hintersten Weiche, weit draußen, nichts rührt sich.
Als Ursache entpuppt sich eine Entgleisung eines Flachwagens.
Mit einem Drehgestell steht der schon reichlich begrünte Flachwagen hinter
der Lok zwischen den Schienen.
Aber damit hat man auf einer rumänischen Waldbahn natürlich Erfahrung.
Wenig später rollt ein schwerer Forsttraktor, Modell "TAF" an.
Und dann funktioniert es fast wie auf der Modellbahn: Schaufel unter den Wagen,
anheben, schwenken und absetzen. Drin! Naja, nicht ganz.
Auch auf der Modellbahn klappt das nicht immer auf Anhieb, dafür gibts ja
Eingleisevorrichtungen - Die gibts natürlich auch hier.
Also wird die stählerne Eingleisvorrichtung aufs Gleis gelegt und Wagen
vorsichtig darübergezogen. Das erlegt die Diesellok, die derweil am anderen
Ende hängt.
[Viseu de Sus (IF) -> Novat km9, 764 469, Bglwg, 09:00 -> 10:00]
Dann, um 9:00 Uhr ist der Dampfzug Richtung Ripi fertig zum Abfahren.
Er geht heute als erster auf die Reise.
Für uns ist das praktisch, so gibt es wenigstens bis Novat Dampf.
Und wieder das gleiche Spiel, im Tal entlang, durch die Holzsiedlungen Valea
Scradei und Valea Pestilor und weiter bergauf. Wassernehmen und schließlch
nach einer Stunde gegen 10Uhr Ankunft in Novat.
Ein Sprint am Gleis nach vorn entlang, schon stampft 764 469 samt Zug hinterher.
Der Ripi-Zug verlässt Novat.
Mal wieder Novat und - mal wieder warten. Diesmal auf den Dieselzug.
Es vergeht eine Stunde, aber kein Dieselzug.
Schließlich soll es heute bis zum Ende, also Comanu gehen und es ist schon
fast Mittag. Dann irgendwann hat es auch der Diesel geschafft. Gegen 11Uhr kann
der Waldbahnmaraton beginnen.
Das "Blaue Wunder" ist heute wieder im Zugverband, und auch die Herren vom
Bayerischen Fernsehen sind an Bord.
Im Schritttempo erklimmt der Zug Meter um Meter. Zwei vierachsige Wagen
werden von nicht weniger als 36 Drehschemeln gefolgt, von denen einige
sogar beladen sind. Grenzlast!
Eine Stunde Fahrt allein für die ersten 5km bis Cozia. Dann weiter, schließlich:
Novicior. Hier zweigt ein kurzes Gleis in ein Seitental ab,
danach eine Brücke übers Wasser und dann der Haltepunkt. Heute sollen hier
Drehschemel mit Benzinfässern angeliefert werden. Da die beladenenen Wagen
nicht per Hand bergwärts geschoben werden können, muß dazu reichlich rangiert
werden. Es gibt dafür genau eine Weiche!
Schließlich ist der bewußte Zugteil aus der Zugmitte extrahiert und wird,
besetzt mit Bremsern in das sonnendurchflutete Seitental geschoben.
Rangierfahrt in ein Seitental.
Nun folgt der landschaftlich beeindruckendste Abschnitt. Das Tal ist enger
geworden, schroffer. Rechts ragen jetzt Felswände empor, teilweise reichen
sie sogar über den Zug hinweg. Eng schlängelt sich die Strecke zwischen Felshängen
und Flußlauf hindurch.
Irgendwann half alles nichts mehr, der Platz reichte nicht mehr.
Tunnels mußten gesprengt werden. Und das gleich dreimal hintereinander.
Erst ein einzelner, dann zwei weitere direkt in Folge.
Kurz nachdem der dritte Tunnel passiert ist, ein Bahnhof, Botizo.
Mit Ausweichgleis und Steinempfangsgebäude. Alles sehr verlassen,
wir passieren ohne Halt.
Unterwegs wird noch ein paar Mal rangiert, Drehschemel ausgekuppelt,
mit bewährter Seiltechnik auf die Seite geschoben. Der Zug
lichtet sich. Es geht langsam schneller voran. 10 km/h!
Und das nächste Problem: immer häufiger stockt die Lok, dann ist mit einmal Ruhe.
Plötzlich Stille, der Zug steht, mitten im Wald. Nur das Wasser rauscht unbeirrt.
Siesta, diesmal für die Lok. Ein bischen Wasser zur Kühlung,
nach 10min ist das Problem behoben, hier versteht das Personal noch sein
Hand(!)werk.
Wenig später eine Lichtung, in einer großen Kurve um eine Anhöhe, mehrere Gebäude
ziehen sich malerisch den Berg hinauf: Suliguli, hier ist eine Kaserne,
also Fotografierverbot. Wieder bleiben ein paar Drehschemel zurück.
Nun ist es nicht mehr weit bis Faina, der "Hauptstadt" des oberen Wassertals.
Sie braucht Anlauf. Schon im Vorfeld belebte Häuser, belebt vor allem mit Schweinen,
die laufen einfach zwischen Haus und Gleis, quickvergügt.
Pause in Faina.
Dann der Bahnhof, vier Weichen, mit Abstand der größte im "Wasser". Mit Ausweichgleis,
und noch zwei langen Ladegleisen, alles in einer Kurve gelegen.
Und - er ist besetzt. Die Weitgereisten werden freundschaftlich willkommen geheißen.
Hier bekommt man wirklich ein ganz anderes Zeit und Ortsgefühl.
Warenwechsel. Derweil ist es 15:30Uhr. 28km vom Viseu de Sus sind geschafft,
weitere 12km stehen noch bevor.
Das Bayerische Fernsehen verläßt hier den Zug, sie wollen talwärts auf einer
Minilore per Schwerkraft die 28km zurücklegen. Auch eine nette Alternative zur
Zugfahrt.
Für die Unbeirrten oder besser die eingangs zitierten Hartgesottenen kann es aber
nur eine Richtung geben: Vorwärts, nach Comanu!
Nochmal eine halbe Stunde Fahrt, in Lostun zweigt noch ein Seitast ab, einige
verfallene Holzhütten künden auch hier von einstmaliger Betriebsamkeit.
Der Wald hat sich gewandelt, einige Höhenmeter sind zurückgelegt.
Hier oben grüßen majestetische Nadelbäume, stehen dicht an dicht.
Hinter Marcalau wird der Fluß breiter, eine ehemalige Klaus,
eine Flößtalsperre diente hier früher dem Holztransport. Und - noch ein
Seitenast zweigt ab, direkt am Ufer der verlandeten Talsperre.
Rangierhalt. Im Seitengleis stehen schon beladene Drehschemel.
Wieder wird das Seil herausgeholt und - zwischen Lok und erstem Wagen gepannt. Flugs
sind die Vierachser auf dem Seitengleis plaziert. Nanu, soll hier etwa der
Personenverkehr enden?
Und schon kommt der entscheidende Wink - von der Lok. Wir sollen Aufsteigen, auf
die Lok!
Rangieren mit Seil in Marcalau.
Und noch 10 Drehschemel am Haken. Die Lok ist natürlich doppelt besetzt,
Lokführer und - nennen wir den Beiman Kühlmeister.
Kühlwasser Wasser braucht die Lok nämlich öfters mal, aus dem Eimer.
Das wird unkonventionell erledigt. Bei Wasserbedarf turnt der dafür Zuständige
ein paarmal den Umlauf lang, verschwindet halb im Motorraum und füllt es nach.
Das Ganze geschieht während der Fahrt!
Der Führerstand bietet interessante Ein- Aus- und Durchblicke.
"Manometer- kaputt, Tachometer-kaputt... - Lok fährt!"
So könnte man es zusammenfassen. Es gibt keine funktionierenden Armaturen mehr
an Bord. Meist sind Löcher an deren Stelle getreten, eben die erwähnten
Durchblicke, zum Beispiel auf die sich drehende Kurbelwelle...
Zu unserer Verwunderung folgen nun mehrere "Ortschaften" relativ dicht hinter-
einander.
Der erste Ort heißt Catarama, Hier stehen sogar meherere Steinhäuser,
und es wohnen sogar Menschen drin, was hier oben nicht selbstverständlich ist -
viele Häuser sind verlassen.
Dann , noch ein kurzer Waldabschnitt und ein Bahnhof tut sich auf: Comanu.
Zwei Weichen, ein kleines Bahhnhofsgebäude und, eine Kaserne, mit Maschinenpistole
bewacht. Plötzlich ist das Ziel unvermittelt erreicht. Die Strecke zu Ende.
Es ist 16:50 Uhr. In Sechs Stunden Fahrt sind die 40km zurückgelegt.
Nun geht alles sehr schnell. Drehschemel abkuppeln, vorziehen, Weiche
umschmeissen, und sofort zurück. Kein weiterer Halt, die Bremser, die bis
eben noch die Wagen bewachten, springen auf, und nach nichteinmal 3min hat der
nunmehrige Lokzug schon den Rückweg angetreten.
Nur zu verständlich, wenn man die Zeiten als Dienstzeiten betrachtet.
Es wird für alle Beteiligten wieder mindestens eine 12-Stunden-Schicht.
Nun wird es gemütlich eng auf der Lok. Die Lokmannschaft hat derweil in unserem
Reisefüherer die Personenbilder entdeckt, man scheint sich (wieder-) zu kennen...
Zurück durch Catarama, und nach 20min Fahrt zurück am Abzweig Marcalau.
Ohne Wagen ist die Lok aus Comanu zurück in Marcalau.
Rangieren: Talwärts funktioniert das noch einfacher: Die Lok zieht bis vor die
Weiche vor, Bremser lösen die Wagenbremsen des in der Steigung abgestellten Zuges
und mit einem lauten raums ist der Zug zusammengestellt.
Der besteht nun neben den beiden Vierachsern aus 10 Langholzwagen, hat schon
eine beachtliche Länge.
[Marcalau -> Viseu de Sus km34, 87 0033, 17:30 -> 21:00]
Moter aus(!) und abfahrn! Die Steuerung haben die Bremser in der Hand.
Es geht sichtlich schneller voran als bergauf.
In Faina wird der Hochbordwagen im hohen Bogen beladen, mit Schnittholz.
Und weiter - nichts kann den Waldexpress aufhalten, es gibt kein Halt, nur
an den neuen Holzaufnahmepunkten wird auf Pfeifsignal durch gemeinschaftliches
Kurbeln der Zug zum Halten gebracht. Die Lok allein wäre dazu nicht in der Lage.
Natürlcih gibt es keine durchgehende Bremse im Zug.
Unterwegs dann mit einmal doch noch ein Halt: Im Streckengleis stehen noch
einige beladene Holzwagen, sie müssen noch vor dem Zug mit Schwerkraft
talwärts rollen. Wir folgen ihnen.
Weiter. In Novicior, gibt es nochmals Verstärkung.
Da waren es dann 15 Langholzpärchen, nur selten kann man das Ende sehen...
Und weiter talwärts, Kurve links, Kurve rechts. Es dämmert bereits.
Um 20 Uhr endlich das Gleisdreieck und damit Novat.
Durchfahrt. Es wird Zeit, die Scheinwerfer auszuprobieren. Immerhin zwei
funktionieren.
Im Wagen schleicht sich derweil die völlige Finsternis ein. Aber der Mond
scheint hell und weist den Weg.
Valea Scradei, 20:30 Uhr. Behände klettert ein Waldarbeiter auf den
Hochbordwagen und schon fliegen, während der Fahrt(!), die Holzklumpen im
hohen Bogen auf die Strasse.
Noch ein paar Kurven, links, rechts, links, dann, endlich, gegen 21 Uhr eine
Weiche und Licht in der Ferne. Wir sind unten!
Uff, da war der Waldbahnmaraton ist zu Ende...